Alles im Fluss – so bleibst du in deinem (Yoga-)Flow

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Panta rhei.

„Alles fließt“ hat Heraklit gesagt, lange ist’s her. Ich bin mit den alten Griechen nicht so belesen, aber dieses Zitat ist irgendwie mal bei mir hängen geblieben. Was uns der gute „Harry“ damit nämlich sagen will, ist: Wer in denselben Fluss steigt, dem fließt anderes und wieder anderes Wasser zu. Man kann also niemals zweimal in dasselbe fließende Gewässer eintauchen. Nicht mal ein bisschen. Und weil der Autor professioneller Philosoph war, ist davon auszugehen, dass diese eine Metapher für nichts weniger als das ganze Leben, ja die Welt ist. Alles ist im Fluss, das Sein ist das Werden des Ganzen. Und selbst wenn wir noch so fest auf der Stelle stehen bleiben, ändert sich um uns herum trotzdem alles. Ganz schön harter Stoff für einen klamaukigen Männeryogablog, ich weiß. Aber es geht noch weiter.

Go with the Flow.

Mindestens genau so interessant wie die (von mir nur ansatzweise verstandene) Flusslehre in der Philosophie finde ich das psychologische Flow-Konzept des Glücksforschers (was für ein Job) Mihály Csíkszentmihályi (was für ein Name): Der hat bei seiner Untersuchung von Chirurgen und Extremsportlern festgestellt, dass diese Menschen in ein „als beglückend erlebtes Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit, die wie von selbst vor sich geht“ gelangen können. Kurz gesagt: Manche Leute kommen bei der Arbeit in einen richtigen Flow. Damit hat sich dann unter anderem wieder der Psychologe Siegbert A. Warwitz beschäftigt. Der hat die Flow-Theorie weiter erforscht und vergleicht sie mit einem spielenden Kind, etwas was ich momentan sehr gut nachvollziehen kann:

  • Ein Kind würde sich niemals selbst überfordern, es ist seinen selbst gestellten Anforderungen immer gewachsen.
  • Die Tätigkeit läuft immer im Nahbereich des Kindes ab, in einem begrenzten, überschaubaren Handlungsfeld.
  • Auf jede Aktivität gibt es klares Feedback, Handlungserfolg wird sofort sichtbar.
  • Handeln und Bewusstsein verschmelzen miteinander, Außenwelt und Zeitgefühl werden ausgeblendet.
  • Die Tätigkeit belohnt sich selbst, Lob von außen wird nicht benötigt.

Rein in die Komfortzone!

Der Flow findet also immer im Bereich zwischen individueller Unterforderung und Überforderung statt und lässt maximale Fokussierung auf eine Tätigkeit zu. Wenn ich das auf meine Yogapraxis übertragen will, bedeutet das, ich kann mich meinen Asanas voll hingeben, so lange ich mich nicht unter- oder überfordere. Nach einer gewissen Zeit laufen die Sonnengrüße ja auch halbautomatisch durch, da lässt sich auf jeden Fall ein Flow erkennen. Wenn ich mich aber weiter entwickeln will, muss ich meinen grünen Bereich und damit den Flow verlassen und neue Asanas lernen oder länger üben. Bis die Komfortzone sich wie beim Training im Sport nach oben verschoben hat, die Überforderung erst später eintritt. Damit komme ich im Flow auf ein neues Level. Ist klar, oder?

Leben am Anschlag.

Wir Yogis nehmen ja gerne unsere Praxis mit in unseren Alltag. Das geht manchmal ganz gut, manchmal nur in Teilen. Beim Flow-Konzept finde ich das mit der Komfortzone sehr interessant. Ich kenne das Gefühl, nicht in den richtigen Groove zu kommen, weil ich nicht in meinem eigenen grünen Bereich befinde. Natürlich fordere ich mich gerne selbst, sonst würde ich in der Yogaklasse noch immer nur 90 Minuten Power-Savasana üben. Aber permanent überfordert sein will ich natürlich auch nicht, das nimmt einem doch den letzten Spaß an den Dingen. Und das Gegenteil nervt ebenfalls: Unterforderung im Job beispielsweise führ zu „Bore-Out“, was erst mal lustig klingt aber für Betroffene gar nicht so komisch ist. Ohnehin bleibt ja die Frage, ob alles im Flow passieren muss in meinem Leben. Ich probiere so wahnsinnig gerne neue Dinge aus und nehme Rückschläge gerne hin um daraus zu lernen. Mathematik? Hätte mir fast das Studium frühzeitig beendet. Hochdeutsch sprechen? Dazu muss ich mich verstellen. Freier Handstand? Kann ich immer noch nicht. Ich arbeite an diesen Dingen, aber bis es soweit ist, nutze ich einen Taschenrechner, kultiviere meinen Dialekt und stell mich mit den Füßen nach oben an die Wand. Dafür rolle ich durch meine Vinyasas wie ein (nicht mehr ganz so) junges Reh.

Es ist nicht nur dein Fluss.

Was beiden Konzepten – dem „Fluss“ von Heraklit und dem „Flow“ von Csíkszentmihályi – erst mal fehlt, ist die Sicht auf die anderen. Du stehst ja nicht alleine in der Isar, da fließt ja noch was um dich herum. Und deine Co-Yogis haben ihren eigenen Flow. Wer Kinder hat, weiß, dass jeder Mensch anders funktioniert und anders gefordert und gefördert werden muss. Jeder hat seine eigenen Grenzen, die er ab und zu mal austesten und überwinden will. Oder muss. Aber nur, um dann wieder einen Schritt zurück zu gehen. Raus aus dem Fluss in den sicheren Cocon. Denn das, was da jeden Tag an uns vorbeifließt ist manchmal ganz schön viel und ganz schön schnell. Den Flow kann man nämlich nicht nur nach oben in den Grenzbereich verlassen, sondern auch nach unten, um mal so richtig abzuchillen. Und dafür ist Yoga perfekt: Einfach mal nur ein bisschen sitzen, atmen und in sich reinspüren. Namaste.

 

Fotos von der ständig am Limit lebenden Liza Meinhof.