OM my God – Yoga und Glaube

Glaub doch, was du willst. 

Glaubst du noch an den Nikolaus? Oder hast du überhaupt jemals an ihn geglaubt? Wahrscheinlich ist es pädagogisch fahrlässig, seinen Kindern so einen Quatsch zu erzählen: Da kommt jemand, ein Mann, mitten in der Nacht. Und egal, wie lange du wach bleibst, du wirst ihn niemals sehen. Dafür stopft er den braven Kindern kleine Geschenke in die Schuhe – ist das nicht wunderbar? Okay, die nicht ganz so braven Kinder bekommen – zumindest hier in Bayern – vom Krampus ein paar auf den Allerwertesten. Aber zugesehen hat dabei eigentlich auch noch niemand. Ja, es ist schwierig, an den Nikolaus zu glauben. Oder an den Weihnachtsmann oder den Osterhasen. Aber alle drei sind sie für eine schöne Geschichte gut, die man Kindern erzählen kann. Und weil Kinder ihren Eltern erstmal alles abnehmen, glauben sie am Ende auch an den Nikolaus. Selbst wenn der in diesem Jahr – pandemiebedingt – nicht persönlich vorstellig wird. 

Glaube versetzt Berge.

Ich weiß es mittlerweile besser: Nicht der heilige Klaus packt mir Schokolade in den Stiefel, sondern meine Frau. Das gemeinsame Girokonto lässt wenig Raum für Geheimnisse. Aber nur zu gerne würde ich an den Nikolaus glauben. Denn gerade als Yogi bin ich doch offen für alle Facetten des Glaubens. Ich glaube an die Kraft des Stillsitzens, ich glaube an Koshas und Doshas und an Chakren, ich glaube an einen kleinen Gott mit Elefantenkopf und manchmal glaube ich sogar, dass ich mit meinen Füßen atmen kann. Bin ich vielleicht naiv? Nein, ich glaube einfach. Das hat nichts mit Denken oder Wissen zu tun (typischer Klugschiss vom Mittelstufenlehrer, übrigens). Wenn ich etwas glaube hinterfrage ich es nicht. Na gut, wenn man es mal in die Tastatur gehackt hat, liest es sich doch ein wenig naiv. Vielleicht mangelt es deshalb so vielen Leuten am Glauben?

Glaube nur, was du sehen kannst.

Gerade in Zeiten wie diesen (wie ich mich danach sehne, solche Formulierungen nicht mehr benutzen zu müssen!), glaubt ja niemand mehr an irgendwas: Die einen glauben überhaupt nicht an das Virus, die anderen glauben, dass es von Reptiloiden gezüchtet wurde, um unsere Gehirne zu zermatschen (Spoiler: Dafür gibt’s dich Fernsehen!). Und Leute wie ich glauben nur noch, dass es den Regierenden relativ egal ist, wie viele Yogastudios noch schließen müssen. Systemrelevant sind wir Yogis auf jeden Fall noch nicht, obwohl wir in Sachen nationaler Gesundheitssicherung doch ein Wörtchen mitzureden hätten. Aber auch das ist letztendlich eine Glaubensfrage – die meisten Krankenkassen sehen das ja wiederum – fern aller Fakten – anders. Und wie gesagt: Am Ende ist Glaube auch nur so etwas wie ein paar Zeilen Social Media-Kommentar: Wenig absolute Wahrheit, dafür ganz viel Meinung.

Ich glaube schon.

In meinem engeren Freundeskreis spreche ich nicht oft über Glaube und so’n Zeug. Das hat verschiedene Gründe. Einer davon: Mein Glaube ist meine Privatsache und ich will ihn so leben, wie ich will. Ohne Regeln, ohne Zuschauer (also außer jetzt in diesem Artikel) und ohne das Haus verlassen zu müssen. Aber mit der Option, andere zu treffen und mit ihnen meinen Glauben zu praktizieren. Also eigentlich ganz ähnlich, wie ich es mit meiner Yogapraxis halte: Home Practice mit unregelmäßigen Studiobesuchen. Ohne Guru-Zwang aber mit spirituellem Unterbau. Nicht totgeschwiegen wird das Thema Glaube allerdings, sobald jemand sich dem Tod nähert. Proportional zur Anomalie auf dem Röntgenbild finden viele Menschen wieder zum Glauben. Und finden – Sarkasmus aus – darin Hoffnung und Stärke in ihrem Kampf für das Leben. 

Ich glaube, also bin ich.

Ich bin ein gläubiger Mensch. War ich schon vor Yoga. Und ebenfalls davor war mir klar, dass Glaube nichts mit Kirche oder Religion zu tun haben muss. Genau so wenig wie Yoga, übrigens. Da tummeln sich ja immer noch so viele Frömmler und Heuchler, dass ich manchmal fast vom Glauben abfalle. Man muss nicht an die Wirkung von Yoga glauben oder an Erleuchtung oder Levitation. Und man kann trotzdem Yoga praktizieren und damit glücklich sein. Genau so wenig, wie du einen Priester brauchst, um zu beten, brauchst du einen Guru, um Yoga zu üben. Und wo wir schon dabei sind: Du brauchst auch keinen Yogalehrer (gibt’s es eh zu viele) oder ein Studio (gibt’s bald keine mehr). Am Ende geht es nur um dich und dein Yoga. Das kann eine kurzer Moment der Achtsamkeit sein oder ein mehrstündiger Armbalancen-Porno. Du entscheidest jeden Tag aufs Neue, wie du dein Yoga lebst. Außer an den Pfad des Yoga solltest du aber auch noch an ein paar weltliche Dinge glauben. Deine Mitmenschen, zum Beispiel. Ich hatte immer das Glück, dass es Menschen gab, die an mich geglaubt haben. Den Blogger, Yogalehrer und Studiogründer. Aber auch den Ehemann, Vater und Freund. Und ohne diesen passiven Glauben, wäre einiges anders gelaufen in meinem Leben und nicht immer war es leicht, mir Glauben zu schenken. Und genau deshalb meine Bitte: Verschenke dieses Jahr doch zu Weihnachten deinen eigenen Glauben an jemanden, der ihn gut brauchen kann. Jemanden in deinem Umfeld, jemanden, den du noch gar nicht kennst oder auch dich selbst. Denn Glaube versetzt bekanntlich Berge. Namaste.

PS: In „Nicht noch ein Yoga Podcast“ werde ich mich bald mit Robert Ehrenbrand über das Thema „Sekten“ unterhalten. Hör doch gerne mal rein. 

Fotos: Liza Meinhof