Yogadude im Interview – Philip Siefer

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Ein echtes Einhorn.

Philip Siefer ist ein krasser Typ, das Wort „Macher“ steht ihm trotz – oder gerade wegen – seines lässigen Auftritts mit Vollbart und unförmigen Riesenschal auf der Stirn. Er ist jung (34), intelligent, energiegeladen und hat mit einhorn, der ersten veganen Kondommarke (kein Witz!), gerade sein zweites Unternehmen gegründet. Natürlich nicht aus kommerziellen Gründen, sondern um die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen (ist so). Das Schlimme bzw. wirklich Schöne an Philip: Er ist bei allem Erfolg ein super sympathischer Typ, der alles hat: Humor, Hirn und Eier. Eier hat er vor allem deshalb, weil er seit kurzem offen über die Panikattacken spricht, die so gar nicht zum Bild des performanten Startup-Gründers passen.

In bester Gesellschaft.

Philip und ich haben uns per Skype unterhalten – ich (wie immer) auf der Couch, er in Berlin-Mitte auf dem Gehsteig der Friedrichstraße. Unmittelbar nach unserem Gespräch war er geschäftlich zum Essen verabredet, davor bestand sein Zeitplan in den letzten Wochen aus einer langen Aneinanderreihung von Konferenzen und Terminen. Und dazwischen hat er noch 30 Minuten Zeit für den Yogadude. Film ab.

Namaste, Philip. Du praktizierst Yoga?

Ja, seit etwa zwei bis drei Jahren.

Und warum?

Ich wollte mich mehr bewegen und mehr über meinen Körper erfahren, weil ich Stress mit vielen Sachen im Berufsleben hatte. Da dachte ich mir, es wäre cool, herauszukriegen, wie sich das anfühlt und wieder mehr meinen Körper zu spüren und so.

Vor sieben Jahren hatte ich eine Herzmuskelentzündung. Die ist total ausgeheilt, das wurde mir auch bescheinigt, aber seitdem habe ich immer so kleine Ängste. Ich bin einen Halbmarathon gelaufen, habe danach eine Woche lang gefeiert, krass gesoffen und so und war dann irgendwann auf der Straße unterwegs und dachte: „Gleich ist es vorbei, ich sterbe“. Da habe ich dann jemanden angesprochen und gesagt: „Ich glaube, ich kriege einen Herzinfarkt, ruf mir mal einen Krankenwagen.“ Der war dann zufällig Arzt und hat meinen Puls gemessen und gesagt, ich hätte keinen Herzinfarkt, aber ruh dich mal ne Runde aus. Danach habe ich sehr intensiv nach einem Weg gesucht, wieder in meinen Körper und zu mir selbst zurück zu finden. Und das war für mich Yoga.

Dein Yoga hilft dir also, mehr auf deinen Körper zu hören und achtsamer zu leben?

Jaja, es ist sozusagen mein Signal. Ich übe jeden Tag so 20 bis 25 Minuten Yoga und gehe regelmäßig zu Jivamukti (Berlin) für eine 90 Minuten-Session, mit Singen und allem Kram. Und ich merke: Wenn ich das mache, bin ich viel krasser im Gleichgewicht, als wenn ich das nicht mache. Wenn ich das mit dem Yoga ein, zwei Wochen voll schleifen lasse, geht’s mir einfach schlechter. Aber das ist ja auch ganz normal, wenn man die ganze Zeit nur am Schreibtisch sitzt – zusammengekrümmt – und sich überhaupt nicht streckt. Dafür ist man ja nicht gebaut, ich glaube mit Yoga kann man da ganz viel mobilisieren.

Oder dass man Atmen übt. Das hört sich immer so dumm an, wie so ein Eso-Scheiß. „Komm, wir machen Kerzen und Räucherstäbchen an und dann singen wir noch drei Shantis und ein Om.“ Ich bin da gar nicht der Typ für, eigentlich, aber ich muss sagen, es hilft mir total. Für mich ist das wie so eine kleine Religion. Das ist es vielleicht auch, was mir am Katholizismus fehlt: In der Kirche macht man keinen Sport (lacht).

Jivamukti ist ja scheinbar für einige, die es ernsthaft praktizieren, eine Art Religionsersatz.

Auf jeden Fall. Wenn man dann zum zehnten Mal mit chantet, fühlt es sich komplett anders an. Ich war letzten Samstag da und die Lehrerin, die die Stunde gegeben hat, singt gerne. Sie spielt auch dieses Akkordeon, das auf dem Boden liegt…

Harmonium.

Harmonium, ja genau. So gut kenne ich mich aus (lacht). Aber: I enjoyed it! Auf jeden Fall hat die Lehrerin sehr lange mit uns gesungen und was eingeübt. Und es war voll nett, weil alle so gesungen haben! Man war in so einer Art Klangraum, wie wenn man in einem Chor singt oder so. Wenn alle dasselbe machen, ist das so ein krasser Gemeinschaftsmoment. Und wenn das dann noch so was Positives, Entschlackendes ist – ich glaube, damit kann man sich wirklich selbst heilen.

Auf jeden Fall. Und im Job? Mir hilft Yoga bei meiner Arbeit, mit dem Stress und allem.

Ja, klar. Man redet ja davon, seine innere Mitte zu finden und so, was sich für jeden Manager natürlich nach Eso-Chichi anhört. Aber ich kenne inzwischen viele Unternehmer und Top-Manager, die krasse Höchstleistungen bringen müssen, und die praktizieren Yoga, was sie unheimlich stabilisiert. Großes Yoga-Vorbild für mich ist Justin Trudeaux, der kanadische Premierminister. Total krasser Typ und Yogi. Ich denke, das hängt schon zusammen, er hat ja auch einen sehr relaxten Führungsstil. Und mir selbst hilft das natürlich auch im Alltag.

Aber hast du bei dem ganzen Stress mit der Arbeit überhaupt noch Zeit für deine Yogapraxis, für mehr Achtsamkeit oder auch um mal in dich hinein zu hören?

Manchmal mehr, manchmal weniger. Ich passe schon ein bisschen auf. Manchmal ist ja Achtsamkeit auch, mit ein paar Freunden drei Flaschen Rotwein zu trinken und ein geiles Abendessen zu kochen. Also dass man sich einfach Zeit nimmt für etwas anderes als Arbeit oder immer den gleichen Sachen. Ich glaube, dieser Wechsel ist wichtig. Die ganze Zeit nur Yoga machen, ist auch nicht gesund. Manchmal muss man eine Flasche Rotwein trinken, manchmal zum Yoga gehen, manchmal muss man Arbeiten, mal ein Buch lesen oder gar nichts machen. Auf diese Balance achte ich schon. Aber ich arbeite daran, es ist noch nicht perfekt. Und es dauert ewig. Mit 80 kann man das, aber dann ist man auch schon tot.

Hoffentlich nicht!

Gründer neigen ja zu dieser Selbstoptimierung: Man muss sich gesund ernähren, kein Alkohol, keine Zigaretten, jeden Morgen um 5:30 aufstehen etc. Das ist mir irgendwie ein bisschen zu viel. Ich stehe gerne um 6:00 auf, dann schaffe ich es auch, mein Yoga zu machen. Aber wenn ich erst um 1:00 ins Bett gehe, stehe ich auch nicht um 6:00 auf, sonst bin ich scheiße drauf den ganzen Tag.

Also keine Smart Watch, die dich überwacht und optimiert?

Nee, obwohl ich letztens gedacht habe, das wäre vielleicht ganz witzig. Aber: Nee.

Sehe ich auch so und hey: Wir sind eigentlich schon durch mit unserer Zeit. Ich habe gehört, was ich hören wollte und ich bin froh, dass du auch mal eine Flasche Wein trinkst.

Ich rauche auch manchmal eine Zigarette. Manchmal rauche ich auch fünf!

Hör auf, das ist ein Yogablog! Letzte Frage: Ist Yoga ein Männerding? Und wenn ja: Warum?

Das ist doch ein Unisexding, oder? Männerdinger gibt’s nicht mehr. Nicht mal im Stehen Pinkeln ist noch ein Männerding. Ist die Frage, ob Männer Yoga machen dürfen? Ich kann nur sagen: Wenn man in so einen Yogakurs reingeht, sehen 90% der Menschen fit und gesund aus, 5% machen ein bisschen zu viel und 5% sind neu. Männer oder Frauen. Und alles, was eine Frauensache ist, ist auch eine Männersache. Außer Kinderkriegen natürlich. Das ist das Einzige, was keine Männersache ist. Das können wir einfach nicht. Sonst können Frauen und Männer ja das Gleiche. Ich kann Yoga nur jedem Mann empfehlen. Von wegen Räucherstäbchen, Eso-Muttis und so… Guckt euch mal die Eso-Muttis an, die da rumlaufen. Das sind die fittesten Mädels auf dem Planeten.

Das unterschreibe ich sofort. Vielen Dank für deine Zeit und das nette Gespräch. Und alles Gute noch weiterhin.

Dankeschön.

Mehr davon, bitte.

Philip ist ein echtes Yoga-Einhorn, auf der Matte und daneben. Nach seiner ersten Unternehmensgründung, Stickvogel, hat er mit der veganen Kondommarke einhorn sein neues Projekt am Start. Die Idee hinter dem Business: Mit Sex die Welt retten! Philip und sein Mitgründer Waldemar nennen es zwar anders, aber im Grunde ist es genau das. Unter dem Label „Fairstainability“ haben sich die beiden auf die Fahne geschrieben, dass man auch Kondome unter fairen Bedingungen nachhaltig produzieren kann. Auf ihrer Website erfährst du mehr zu diesem Thema. Ein echtes Einhorn ist Philip aber nicht nur deshalb, sondern weil er ganz offen über seine Schwächen spricht und (natürlich) weil er ein braver Yogi ist. Namaste.

 

Fotos: einhorn.my / liz v. Wagenhoff / Simon Harlinghausen