Es reicht – ich will endlich wieder meinen Job machen

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Ein halbes Jahr zwischen Leben und Tod.

Manchmal braucht es eben eine etwas reißerische Überschrift um ins Thema einzusteigen. Aber wir sind ja hier nicht bei der „Yoga-BILD“ (swarum gibt es die eigentlich noch nicht?). Trotzdem: Die allgemeine Lage in den vergangenen sechs Monaten kann ich als Yogalehrer, Studiobetreiber und Familienvater leider nur als eher suboptimal beschreiben. Der Yogalehrer hat seit November eigentlich kein Geld mehr verdient, der Studiobetreiber ein halbes Jahr lang satte Verluste gemacht und der Familienvater denkt ernsthaft (!) übers Auswandern nach („Wenn schon Bananenrepublik, dann bitteschön mit Palmen“). Ein ganzes halbes Jahr sind die Yogastudio jetzt schon wieder geschlossen. Und so langsam gewöhnt man sich daran und glaubt schon fast nicht mehr an eine Wiedereröffnung. Vor allem, weil es in vielen Fällen gar nichts mehr zum Wiedereröffnen gibt!

Die Nerven liegen blank.

Ob Yogi oder Nogi – viele von uns haben gerade zu kämpfen. Und das macht sich bemerkbar. Nicht nur im Hasskanal Nummer 1, dem Internet, sondern auch auf der Straße: Am Wochenende hat unser Sonntagsausflug mit dem Fahrrad einen kleine Engstelle auf dem Isarradweg verursacht. Die Tochter (7) von Freunden war mit dem Radl gestürzt und lag leicht blutend auf dem Boden. Nach ca. Einer Minute kam von hinten dann auch schon der erste „Könnt ihr nicht woanders rumstehen“-Kommentar, den ich in München mittlerweile einfach erwarte und unter größten Mühen wegatme. Also meistens zumindest – manchmal kann ich einfach nicht meine Klappe halten, aber ich bereue es fast jedes Mal. Wer Dummes tut ist laut Forrest Gumps Mutter auch dumm und mit Idioten lässt sich nun mal nicht diskutieren. 

Die Dummen sind doch wir.

Heute habe ich von einer Studio gelesen, die beweisen soll, dass es ungefährlich sei mit Bus und Bahn zu reisen. Also Corona-ungefährlich, die Gefahr im Stau zu verdursten bleibt. Und ich bin weiß Gott froh darüber, dass alle jetzt wieder ganz sorgenfrei ins Büro ruckeln können. Oder in die Außengastronomie. Oder den Baumarkt. Oder die bekackte Hundeschule! Ja genau, in Bayern öffnen jetzt plötzlich alle wieder ihre Pfo(r)ten, außer den Amateuren aus Sport und Fitness (und damit laut freistaatlicher Definition auch Yoga). Der Yogalehrer und Studiobetreiber in mir muss jetzt erst mal darauf klar kommen, dass sein Beruf weniger systemrelevant ist als der des Hundelehrers (obwohl wir im Yoga ebenfalls ab- und aufwärts schauende Hunde unterrichten, haha). 

Here comes the sun.

Mit dem kurzzeitigen Sommerausbruch in München keimte in mir aber auch so etwas wie Optimismus auf: Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Yogastudios wirklich bald wieder öffnen dürfen. Auch ohne eine offizielle Studie, die beweist, dass es bei uns genau so harmlos ist wie in der U-Bahn. Ich denke, es muss jetzt einfach. Nicht, weil die Yogalehrenden bald alle am Ende sind. Nicht, weil wir genügend  Studien haben, die beweisen wie vorteilhaft unsere Arbeit für Körper und Geist der Menschen ist. Nein – eigentlich nur, weil es sich jetzt wieder so anfühlt, als könnte es passieren. Das Ender jeder dunklen Nacht ist der Sonnenaufgang. Und für mich persönlich kann die Nacht – was Yogaunterricht betrifft – so langsam nicht mehr dunkler werden. Deshalb: Lasst uns das Licht im Studio wieder anknipsen und endlich wieder unseren Job machen.

PS: Ich bin durch.

Nach vierzehn Monaten Corona, nach zwei Lockdowns und Ausgangssperren und Reiseverboten und der Tatsache, dass die Verantwortlichen diese kollektive Krise nutzen, um sich höchst effektiv persönlich zu bereichern, stelle ich Veränderungen an mir fest. Wo Sanftmut war, wächst Aggression, anstelle von Humor fühle ich häufig nur Verbitterung. Yogalehrer bin ich eigentlich schon lange nicht mehr – das letzte Mal habe ich im Oktober im Studio unterrichtet und das letzte Mal Körperkontakt gab es dabei im März 2020. Und auch wenn ich das Studio dank der unglaublichen Hilfe so vieler noch halten kann – auch an meinen anderen Aktivitäten geht das Virus nicht vorüber. In einer Zeit, die so viel Schlechtes aus den Menschen holt, fällt es mir zunehmend schwerer, als Blogger einen unkomplizierten Zugang zu Yoga zu schaffen. Klar, der YOGADUDE-Blog ist für das System nicht relevant und die (Yoga-)Welt würde sich auch ohne ihn noch mühelos weiter drehen. Aber mir bedeutet dieses kleine, manchmal selbsttherapeutische Tagebuch doch einiges. Und ich werde es nicht fortführen, um eine beschissene Negativmeldung nach der anderen zu veröffentlichen. Namaste.