Ich habe meinen Glauben verloren

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Jippieh, ich hab’s getan.

Letzte Woche bin ich aus der Kirche (römisch-katholisch) ausgetreten. Und es war mir ein Vergnügen. Nein, bitte nicht falsch verstehen: Mit der Entscheidung habe ich lange Zeit gerungen. Schließlich war ich immer einer, der auf die positiven Aspekte dieser Glaubensgemeinschaft hingewiesen hat. 20 Jahre war ich in der katholischen Jugendarbeit passiv und aktiv etc. Aber jetzt, mit Mitte 40, wo man sich mental schon mal überlegt, welchen Stellenwert eine kirchliche Beisetzung hat, habe ich den Pakt mit den alten Männern in Rom aufgekündigt. Und der Vorgang des Austritts war tatsächlich höchst erfreulich. Wer in München schon mal auf dem Amt war (hier heißt das natürlich nicht Bürgerbüro oder so, sondern Kreisverwaltungsreferat bzw. KVR), ist durch die Hölle gegangen. AUSSER man tritt aus der Kirche aus. Dann darf man in eine Art VIP-Bereich des KVR vordringen. In diesem Teil des Standesamts gibt es ein eigenes Amtszimmer mit zwei Arbeitsplätzen, die sich ausschließlich um Kirchenaustritte kümmern. Bedarf ist scheinbar da in der katholischen Hochburg Bayern.

Und wie war’s genau?

Auch wenn ich mir sicher bin, dass der liebe Gott und ich uns jetzt noch immer so lieb haben wie vorher, war ich am Tag des Austritts etwas nervös. Ich musste vor dem Standesbeamten (ich nehme an, das ist seine Berufsbezeichnung) laut und deutlich aussprechen, welche Kirche genau ich verlassen möchte. Nachdem das ohne Blitzschlag vor sich ging, bekam ich eine Rechnung über 35 Euro und die Aussicht auf ein Ableben ohne Priester an meinem Sterbebett. Aber egal, Legenden sterben nicht im Bett und die 35 Kröten setze ich einfach von der Kirchensteuer ab oder so.

Aber du bist doch Christ?

Ja, das bin ich immer noch. Jesus hat meines Wissens nie gesagt, dass man Geld bezahlen muss um in seiner Gang zu sein. So wie in den alten Yogaschriften nichts davon steht, dass man sich als Guru im Rolls Royce chauffieren lassen sollte. Also ja, ich bin Christ. Aber ich bin auch Mensch und Vater. Und wie die Kirche mit Frauen, Homosexuellen und Kindern umgeht, hat mit der Bibel ungefähr so viel zu tun wie Bieryoga mit dem Yogasutra. Und darum konnte und wollte ich nicht mehr Teil dieses Vereins sein, der mich – zugegebenermaßen – relativ stark geprägt hat, aber leider noch immer nicht versteht, dass das Mittelalter vorbei ist. 

Und woran glaube ich jetzt?

Ich glaube, dass wir fast immer die Wahl haben, irgendwo auszutreten. Nur manchmal gibt es dafür eben kein gemütliches Zimmer im Standesamt mit angeschlossenem Zahlungsautomaten. Manchmal schmerzt es etwas mehr, einen wichtigen Schritt zu machen. Meinen Glauben an das Göttliche werde ich hoffentlich nie verlieren, auch wenn ich mit der Arbeit des Bodenpersonals nicht mehr wirklich zufrieden bin. Als nächstes steht auf meiner Liste übrigens die Bundesregierung. Denen nehme ich schon lange nichts ab und das einzige woran die glauben, ist eine möglichst große Zahl vor einem Eurozeichen auf ihrem Kontoauszug. Wie genau ich da rauskomme, ohne zum Reichsbürger zu mutieren, weiß ich allerdings noch nicht. Aber eines nach dem anderen – im September wird die aktuelle Inkarnation der BRD-Junta erstmal abgewählt. Und bis dahin ertrage ich die Gier und die Lügen weiterhin mit Yoga. Amen.

PS: Die erste Runde gesparte Kirchensteuer geht dann übrigens an irgendeine sinnvolle Organisation, die das Geld dann am dringendsten brauchen kann.

Fotos: Rouven Klein, Liza Meinhof