Extrem-Yoga – Schwαrzes Yoga

Von wegen „Früher war alles besser“!

Die Glorifizierung der 80er-Jahre ist eines der größten Missverständnisse unserer Generation. Die 80er waren – von den Rahmenbedingungen her – das übelste Jahrzehnt meines Lebens. Neben vielen anderen dämlichen Dingen (Kalter Krieg, saurer Regen, undichte Atommeiler) galt auch noch Heavy Metal vor 30 Jahren als gleichbedeutend mit Satanismus und Schwarzen Messen. Und Ozzy Osbourne, dieser niedlich-degenerierte alte Mann, war nicht der Typ, der die Fernbedienung nicht bedienen kann, sondern der absolute Antichrist. Kinder und Jugendliche, die Metal hörten, wurden genauestens unter Beobachtung gestellt und man gab ihnen standardmäßig zur Aufklärung das Buch Sie wollen nur deine Seele zu lesen. Und dann gab es noch die Geschichten, dass man Botschaften des Leibhaftigen hören könne, wenn man Schallplatten rückwärts abspielt. Die haben das wirklich ernst damals gemeint! Und natürlich haben wir alle unsere Vinylplatten rückwärts abgespielt und nie, aber nicht ein einziges mal war eine versteckte Botschaft zu vernehmen. Wenn das nicht enttäuschend war !?

Do more of what makes you happy.

Eine schlaue (durstige) Frau kam vor einigen Jahren auf die geniale die Idee, ihr Faible für Bier mit Yoga zu kombinieren. Und eine andere Dame lebt ihren Bondage-Fetisch auch auf der Matte aus. Yoga geht irgendwie mit jeder Beilage ganz gut und so kam Charlotte aus Berlin dazu, ihre Vorliebe für Metal in ihre Yogapraxis einzubauen: Schwαrzes Yoga war geboren. Weil ich zum Glück die potenziell-tödlichen 80er überlebt habe und noch immer unbeschadet Metal höre, wollte ich das unbedingt mal ausprobieren. Und diese Woche war es dann soweit, ich durfte in Berlin-Friedrichshain eine Schwarze Yoga-Messe besuchen. Und wie war es wohl? Genau wie ein gutes Metal-Konzert: Schweißtreibend, dunkel und richtig schön laut! Charlotte gab im Grunde eine „normale“ Yogaklasse mit Meditation und Vinyasas und Savasana und allem Drum und Dran – nur dass der Raum lediglich von Kerzen erhellt war, Heavy Metal vom Feinsten in ordentlicher Lautstärke lief und alle Schülerinnen und Schüler komplett in Schwarz (inkl. Band-Shirt) bekleidet waren. Und dass wir zweimal gemeinsam aus vollem Hals geschrien haben. Ich liebte es. Aber es brachte auch einige Herausforderungen mit sich.

6(66) Dinge, die dir garantiert nur beim Schwarzen Yoga passieren:

  1. Weil es relativ finster im Raum ist, hast du Probleme die Lehrerin zu sehen. Dafür kannst du aber auch mal ungesehen ein paar Asanas auslassen.
  2. Weil die Musik so laut ist, verstehst du mit deinem vorgeschädigten Gehör auch nicht alles, was die Lehrerin sagt.
  3. Weil alle deine Lieblingssongs laufen, wackelst du unweigerlich die ganze Zeit mit dem Kopf. In hoher Geschwindigkeit.
  4. Weil das intuitive Mudra des Metal-Fans die Pommesgabel ist, fällt es dir schwer Haltungen wie die Planke oder den Abwärtsschauenden Hund auszuführen.
  5. Weil du nach 30 Minuten voll in Konzertstimmung bist, kommen Gedanken an Circle Pit oder Wall of Death in dir auf.
  6. Du fragst dich ernsthaft, ob Satan im Studio erscheinen könnte, wenn ihr gemeinsam 666 Sonnengrüße übt.

The Gods made Heavy Metal.

Gemeinsam haben wir Metalheads aber am Ende alle Herausforderungen gemeistert, ohne eine Ziege zu opfern oder Feuer legen zu müssen. Und das ist kein Wunder, denn die Metal-Community ist in Sachen freundlicher Umgang und Zusammenhalt vielleicht sogar noch besser als die Yogis. Meine Frau und ich waren mit unserem damals zweijährigen Sohn auf einem Metal-Festival in Schweden und die gruseligsten Wikinger-Typen kamen ständig, um mit ihm zu spielen oder ihn auf den Arm zu nehmen. Und im Gegensatz zu anderen Festivals und Konzerten habe ich noch nie bei einem Metal-Gig körperliche Gewalt erlebt – höchstens mal ein eher langweiliges Gespräch über ein Computer-Thema (Spaß!). Es hat mir wirklich großen Spaß gemacht beim Schwαrzen Yoga, vor allem mochte ich die freundschaftliche, lockere Atmosphäre untereinander – als „der Neue“ habe ich mich gleich wohlgefühlt und wenn ich meinen Kopf im Takt leicht geschüttelt habe, war ich nie der Einzige im Raum. Yoga und Metal ist von dem her eigentlich eine eher naheliegende Kombination. Namaste.

PS: Hier noch die Playlist des Abends, die Charlotte unter anderem nach meinen Wünschen zusammengestellt hat:

SCHWΑRZES YOGΑ mit Charlotte
Dienstag 18:30 – 19:30 Uhr
Donnerstag 19:00 – 20:00 Uhr
Infinity Sunlight – Raum für Yoga und Massage
Gubener Straße 27
10243 Berlin
www.schwarzes-yoga.de

Fotos: Yogadude