Das ist der Daumen.
Eigentlich wollte ich etwas über meine Hände schreiben. Die ich wirklich nicht besonders gut leiden kann. Also rein optisch natürlich. Denn ich bin zwar (obwohl ich mich recht häufig fotografieren lasse) nicht super streng mit meinem Äußeren. Aber meine Hände mochte ich wirklich noch nie so gerne. Die Finger sind entweder zu kurz (oder zu dick) und die Handhaut wird vom jahrelangen Fahrradfahren auch nicht gerade jünger. Ich glaube sogar, dass ich auf der einen Hand so etwas wie einen Altersfleck entdeckt habe (OMG!). Und was am unheimlichsten an meinen Griffeln ist, ist die Tatsache, dass der linke Daumen ca. 1,5 cm kürzer ist als der rechte. Ich hatte mit drei Jahren einen kleinen häuslichen Unfall (Schrank, Schwerkraft, Aua) und seit dem ist das Ding nicht mehr so gewachsen, wie es sollte. An den meisten Tagen verstecke ich den linken Daumen deshalb ein bisschen. Wenn mich dann doch jemand darauf anspricht, nenne ich ihn meine „Glücksflosse“ und lächle. Immerhin habe ich zwei Daumen, das ist doch ein Grund zu Lächeln.
High Five.
Also: Eigentlich wollte ich, wie bereits gesagt, etwas über meine Hände schreiben. Und wie ich da so schrieb und schrieb und schrieb mit ebendiesen Händen, wurden mir zwei Dinge klar:
- Ich sollte hier wirklich nicht so sehr auf Opfer machen. Es sind nur Hände. Und im Kontext mit dem Rest des Körpers kommen sie gar nicht so schlecht weg.
- So wenig Sympathie ich meinen Händen äußerlich entgegen bringe, so sehr mag ich das, was ich mit meinen Händen mache. Diesen Beitrag schreiben, zum Beispiel. Oder Gitarre spielen. Oder natürlich Yoga unterrichten. Das ist ja noch gute alte Handarbeit – also beim Assistieren und Massieren.
Auch bevor ich Yogalehrer war, habe ich schon immer mit meinen Händen gearbeitet und nie ein Problem damit gehabt, sie dabei auch schmutzig zu machen. Als Schüler und Student habe ich in einem Metallbetrieb geschuftet und meinen Händen wirklich Übles zugemutet (ich glaube, ich habe noch heute Schmutz aus dieser Zeit tief in den Hautfalten). Und ganz ähnlich leiden die Yogalehrerhände gerade beim Ausbau von Shiva Shiva Yoga, meinem eigenen kleinen Yogastudio. Ich habe mir in den vergangenen beiden Wochen dort
- zig Splitter von den verbauten Holzplatten eingefangen,
- den Zeigefinger in eine sich schließende Schraubzwinge bekommen,
- den anderen Zeigefinger mit dem Hammer getroffen und
- anschließend auch noch mit einem Messer eingeritzt.
Und als ob das nicht genügte, hab ich mir bei der Gartenarbeit am Wochenende auch noch zwei ordentliche Wasserblasen eingehandelt. Und wieder bin ich nur ein armes kleines Opfer. Mit Wurstfingern.
Shake Hands.
Leider sind die geschundenen Hände in meiner Yogapraxis ein wenig unterrepräsentiert. Ständig sprechen wir von unseren Armen und Beinen, vom Nacken und dem Herzraum, dem Bauch und sogar den Füßen. Aber so gut wie nie geht es beim Yoga bewusst um die Hände. Klar, wir setzen sie ein, um uns in Asanas zu schieben oder damit verschiedene Mudras zu formen oder Wechselatmung zu praktizieren. Aber so ein richtiges Hand-Workout oder zumindest eine Hand-fokussierte Meditation gab es in den wenigsten Yogaklassen, die ich bisher besucht habe. Dabei gäbe es allen Grund dazu: Ganze 34 Muskeln sorgen dafür, dass wir unsere Hände bewegen können. Und zwar in jeder Hand! (Faszinierend dabei ist, dass in den Fingern selbst kein einziger Muskel ist! Und wer das nicht glaubt, versuche doch bitte mal einen Finger”muskel” ohne Handmuskel anzuspannen. ) Außerdem gibt es – was mir peinlicherweise bis jetzt auch unbekannt war – eine direkte Verbindung zwischen den Händen und den Chakren. Ich sollte hier wirklich mal etwas recherchieren und einen kleinen Finger-Yoga-Workshop vorbereiten.
Zeigt her eure Hände.
Vielleicht braucht es aber gar kein spezielles Finger-Yoga (obwohl das sicher praktisch wäre bei längeren Bahnreisen oder langweiligen Meetings). Denn bei vielen Asanas sind unsere Hände doch ganz schön stark gefordert. Und ich rede hier nicht von den Handgelenken, sondern von allem, was unterhalb dieser geschieht. Der Klassiker ist wohl der Handstand, bei dem die Finger auf dem Boden aktiv die Balance des ganzen Körpers austarieren. Oder die schiefe Ebene bzw. Plank, wo die Handflächen – genau wie beim Liegestütz – fast das gesamte Körpergewicht halten. Oder alles, wo wir greifen und halten und führen. Die Hände sind eigentlich durchgängig im Einsatz. Und wir nehmen das einfach ganz selbstverständlich hin, dass sie für uns da sind. Ohne uns mal zu bedanken bei ihnen. Ich finde: Die Hände sind die wahren Opfer der ganzen Geschichte. Und sie brauchen kein eigenes Workout oder spezielle Meditationsübungen, sondern einfach ein bisschen Aufmerksamkeit.
Hoch die Hände!
Wenn ich etwas gut kann, dann ist es wohl „Aufmerksamkeit“. Wahrscheinlich habe ich unbewusst deshalb irgendwann damit angefangen, mir die Nägel zu lackieren (im Moment mache ich das nicht wegen der Studio-Baustelle). Aber seit ich Nagellack trage, beachte ich meine ungeliebten Händchen gezwungenermaßen etwas mehr. Und fange an, sie richtig zu mögen. Denn Opfer hin oder her, am Ende sind es nur ein paar Knochen, Sehnen und Muskeln. Und für deren Aussehen kann ich auch nicht wirklich viel. Aber ich kann sie nutzen und mit ihnen schöne Dinge tun. Beim Yoga unterrichten, wenn ich andere Menschen damit berühre und mit den Händen Energie aufnehme und gebe. Und beim Ausbau meines Yogastudios, wo ich beim Werkeln mit meinen Händen schon jetzt ganz viel Energie in die Räume stecken kann. Die mir übrigens auch unlackiert schon ganz gut gefallen. Wir sehen uns zum Händeschütteln. Namaste.
Fotos: Liza „Pianistenhände“ Meinhof