Let Me Take You Far Away.
Irgendwie sehe ich diesen Sommer auf Instagram verflixt wenige Urlaubsfotos von Flughäfen oder der obligatorischen Vogelperspektive auf eine Wolkendecke. Ja: Wer fliegt, schämt sich (Greta macht’s möglich). Schon komisch, dass es ein schwedisches Schulmädchen braucht, um uns diesen Aspekt vernünftigen Handelns zumindest klarzumachen. Ich selbst bin in diesem Jahr schon zweimal geflogen (Shame on me!), aber der Sommerurlaub mit der Familie wird stilecht mit dem Auto in Angriff genommen. Dieses Jahr hat es uns zum ersten Mal nach Kroatien verschlagen (das letzte Mal als ich dort war, hieß der Laden noch Jugoslawien). Von München aus ist das in nur sechs Stunden mit dem Auto zu erreichen und es ist der Oberhammer! Eine wunderschöne Mittelmeerküste mit beinahe unnatürlich klarem Wasser und supernette Menschen, die es einem nachsehen, wenn man kein einziges Wort der Landessprache beherrscht. Mal wieder ein absoluter Volltreffer und das quasi direkt vor der Haustür. Deshalb steht mein Entschluss: Ich muss erst wieder eine Fernreise mit dem Flieger machen, wenn ich in Europa alles abgegrast habe. Und da gibt es noch sooo viel zu entdecken.
Er kann es nicht lassen.
Ferien sind für uns Lehrer ja eigentlich nur unterrichtsfreie Zeit. Als Yogalehrer bin ich zwar kein richtiger Lehrer, aber in meinem Umfeld gibt es mehr als genug Studienrätinnen etc. um zu wissen, dass die so genannten Sommerferien für die ohnehin schon stressgeplagten Staatsdiener nicht unbedingt einfach sind. Unterricht muss vorbereitet werden und… naja, auf jeden Fall muss Unterricht vorbereitet werden. Und damit nimmt man sich die Arbeit ja quasi mit in den Urlaub, selbst wenn das nur im Hinterkopf geschieht. Und auch wir Yogavorturner kommen im Sommer nicht ganz aus unserer Haut. Ständig denken wir an unsere Arbeit, überall gibt es etwas zu tun und zu machen und überhaupt. Ich war in den vergangenen beiden Urlaubswochen mal ganz besonders achtsam und habe beobachtet, ob ich im Urlaub so richtig abschalten kann oder nicht. Das Ergebnis? Verstörend. Und besorgniserregend.
10 Dinge, die du als Yogalehrer wahrscheinlich in deinem Sommerurlaub tust:
1. Die Musik, die du während der drölfstündigen Autofahrt hörst, wird alle 70 Minuten ca. zehn Minuten lang ruhiger und pausiert dann weitere zehn Minuten komplett.
2. Du wählst kein Urlaubsziel, das sich nicht für ein potenzielles Retreat nutzen ließe.
3. (Einatmen) Im Gespräch mit anderen Urlaubern platzierst du automatisch relativ häufig (Ausatmen) die Worte „Einatmen“ und „Ausatmen“.
4. Du korrigierst mit deinen Händen die Haltung der Person, die vor dir an der Supermarktkasse steht.
5. Am Strand richtest du heimlich die Handtücher der Badenden geometrisch in Richtung Meer aus.
6. Wenn es besonders voll am Strand oder Pool ist, bittest du alle Anwesenden zusammenzurücken und bietest dein eigenes Handtuch zum Liegen an.
7. Du massierst spontan den Nacken von Personen, die mit geschlossenen Augen in der Sonne braten.
8. Du liegst nicht einfach am Strand – du perfektionierst dein Savasana.
9. Wenn du nicht Savasana übst, ist es wahrscheinlich Sukhasana (Schneidersitz) oder – sehr professionell – Padmasana (Lotussitz).
10. Während deine Familie den Sonnenuntergang genießt, denkst du an Instagram.
Die bittere Wahrheit.
Aus zuverlässigen Quellen weiß ich, dass nicht alle „richtigen“ Lehrer in den Sommerferien sechs Wochen lang arbeiten. Die gehen tatsächlich auch mal ein paar Tage einfach in den Urlaub. Und auch wir Yogalehrer sind froh, mal ein paar Wochen nicht unterrichten zu müssen. Ich selbst denke zumindest nicht ständig an Yoga, bin aber sehr glücklich darüber, mal ausreichend Zeit und Ruhe für meine eigene Praxis zu haben. Ansonsten ist der Urlaub spektakulär unspektakulär: Camping, Kinder, Strand. Und mit ein bisschen Glück sogar etwas Kultur und in diesem Jahr erstaunlich viel Literatur. Und das ist auch alles perfekt so, denn nach dem Urlaub stehen bei mir gleich die ersten Yogafestivals in München und Ettlingen an und ein geheimes Großprojekt ist auch schon in der Pipeline.
Was das wieder ist, wird auch bald verraten. Bis dahin bin ich aber am Strand und richte die Handtücher der Badegäste aus. Namaste.
Fotos: Liza „Hey, das ist mein Jahresurlaub“ Meinhof