Das Yogawort zum Sonntag – Berührungsängste

Fass das mal an, Mann!

Beim Yoga geht es ja immer auch ums Berühren. Das heißt: Als Yogaschüler geht es ja eigentlich meistens um Berührt-werden, z.B. wenn der Lehrer einen Assist gibt oder in Savasana etwas zurechtrückt oder dich mit einer kleinen Nackenmassage verwöhnt. Aber meiner Meinung nach berühren wir uns beim Yoga viel zu selten auch mal selbst. Denn wie oft unterbricht man eine Klasse und fasst sich wirklich an den Körper, um nachzuspüren, wie er sich gerade von außen anfühlt? All die Wärme und die Energie? Achtsames Üben steht im Moment bei vielen Lehrern ganz oben auf dem Lehrplan, aber die wenigsten Lehrer fordern uns auf, uns mal intensiv selbst zu betasten. Ich mache das manchmal und bin immer wieder überrascht, wie groß der Unterschied ist zwischen meinem inneren Körpergefühl und dem, was meine Hände gleichzeitig an der Oberfläche ertasten.

Darf ich mal anfassen?

Obwohl mir bekanntermaßen fast nichts unangenehm ist, habe ich einen Heidenrespekt davor, andere Menschen zu berühren. Ich habe kein Problem damit, Hände zu schütteln oder Leute zu umarmen, aber für alles, was etwas „intimer“ ist, brauche ich ein gewisses Vertrauensverhältnis. Ziemlich doof, wenn man dann als Yogalehrer arbeiten will, wo man ständig „hands-on“ an anderen Körpern arbeitet. Im Rahmen meiner Yogalehrerausbildung übe ich natürlich ganz viele Assists und die finde ich teilweise dann doch ziemlich körperintensiv. Vor allem, wenn da eine fremde Frau vor mir steht/sitzt/liegt, eventuell auch noch mit geschlossenen Augen. Wer weiß, wie sie auf meine Berührung reagiert? Und wer weiß, ob ich Anfänger nicht aus Versehen abrutsche oder am besten gedankenlos gleich an eine eher weniger angebrachte Stelle fasse? Doch man soll sich seinen Ängsten ja stellen und das habe ich in den letzten Wochen oft getan: Ja, ich habe viele junge Frauen berührt. Aber eben auch immer auf dieser Vertrauensbasis innerhalb meiner Ausbildungsgruppe oder innerhalb meiner Familie. Fremde Körper fühlen sich immer noch fremd an.

Ich kann es nicht fassen!

Diese Woche habe ich mal wieder in einer Yogaklasse hospitiert – als Teil der Ausbildung habe ich die Stunde beobachtet, protokolliert und analysiert. Als ich die Lehrerin vor der Klasse fragte, ob das okay sei, bot sie mir an, in Savasana zu „adjustieren“, also einem oder mehreren Schülern mit meinen Händen etwas Gutes zu tun. Meine Reaktion? Irgendwas zwischen Schockstarre und Ich muss weg! Gut für mich war, dass eine Mitschülerin aus dem Teacher Training da war, die sich freiwillig als Opfer anbot. Auf sie sollte ich mich zum Ende der Klasse stürzen und ihr schönes Yogaerlebnis (Abschlussentspannung) noch schöner machen. Und wieder mal hatte ich mir völlig umsonst die Leggings eingepieselt, denn als die Zeit soweit war, demonstrierte die Lehrerin an der Schülerin neben „meiner“ einige wirklich schöne Savasana-Adjustments. Währenddessen hat es sich so angefühlt, als würde ich mit meiner linken, eingeschlafenen Hand versuchen, die Sixtinische Kapelle zu verschönern. Aber nach der Klasse war meine Kollegin so super dankbar, dass ich wohl doch irgendwas richtig gemacht hatte. Puh.

Fassen wir mal zusammen.

Nicht jeder wird gerne von Fremden berührt. Und nicht jeder fasst gerne an den Körper eines anderen. Aber die meisten Leute mögen es, innerhalb einer Yogaklasse berührt zu werden – vor allem, wenn es diese kleine Massage am Ende der Stunde ist. Und wenn jemand so gar nicht auf Körperkontakt steht, macht er im Normalfall rechtzeitig relativ eindeutige Zeichen. Ich bin jedenfalls seit dieser Woche noch entspannter, was das „professionelle“ Betasten von Yogaschülern betrifft. Das direkte positive Feedback meiner Mitschülerin hat mir die Bestätigung gegeben, dass es nicht nur okay ist, sondern eine richtig gute Sache. Dankeschön, ich werde mir ein Beispiel daran nehmen und auch öfter mal sagen, was mir in einer Klasse gefallen hat und was eventuell auch nicht. Damit bauen wir schließlich auch Berührungsängste ab. Und machen Raum dafür, uns beim Yoga nicht nur von warmen Händen an unserem Nacken berühren zu lassen. Sondern noch viel intensiver in unseren Köpfen. Namaste.

Fotos: Liza „da oben zwickt’s noch“ Meinhof