Motivation? Nein, danke – zumindest nicht beim Yoga

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Hasst mich doch, wenn ihr wollt.

Okay, jetzt muss ich aufpassen und das Thema äußerst behutsam angehen. Am besten formuliere ich das ganz vorsichtig und lasse nicht gleich die Katze aus dem Sack. Sonst wird meine Freundesliste auf Facebook wieder einen Meter kürzer und in der Yogaklasse grüßt mich irgendwann gar niemand mehr. Andererseits – man soll sich ja immer treu bleiben und die Dinge beim Namen nennen, statt sie auszuschweigen, bis das Fässchen überläuft. Also (eeeiiinatmen – aaauuusatmen): Der ganz Coaching-Wahnsinn in letzer Zeit geht mir unendlich auf den Zeiger! So, jetzt ist es raus. Liebe gecoachte Freunde: Wir können das in Ruhe diskutieren. Aber die Tatsache, dass jeder glaubt, er bekomme sein eigenes Leben ohne Coach nicht mehr in den Griff, lässt mich an eurem gesunden Menschenverstand zweifeln. Da gehst du 13 Jahre zur Schule, studierst fünf weitere Jahre, suchst dir einen Job und… lässt dich erstmal professionell darauf trainieren, morgens richtig herum aufzustehen. Toll gemacht, setzen, sechs.

Es geht noch weiter.

So richtig fair ist das Coaching-Bashing jetzt auch wieder nicht. Hier in meinem kleinen Blog-Imperium bin ich aber weder Yogalehrer noch Familienvater, also muss ich auch nicht jedem mit Samthandschuhen die Eier kraulen. Und deshalb frage ich mich: Bin ich der Einzige, der seinen Mist auch noch ohne persönliches Coaching auf die Kette bekommt? Kürzlich habe ich hier in München (wo auch sonst?) sogar Werbung für ein Kinder-Coaching gesehen. Coaching für Kinder! Ich habe das mal gegoogelt und zitiere von der Website: „Wünschen Sie sich für Ihr Kind, dass es ihm einfach wieder gut geht? Dass es die Hausaufgaben selbständig und ohne großen Stress erledigen kann? Dass es wieder gute Leistungen erbringen kann, weil es ein helles Köpfchen ist?“ Liebe Kinder-Coaching-Profis: Auf alle drei Fragen kann ich nur mit „Ja“ antworten, aber dafür brauchen Kinder keinen Coach. Sondern Eltern, die sich um sie kümmern (und einen entsprechenden Genpool mitbringen – für das helle Köpfchen). Ich würde mich schämen, wenn ich meine Kinder zu irgendeinem Lebensberater schleppen müsste, damit es ihm „einfach wieder gut geht.“

Ausnahmen bestätigen die Regel.

Keine Regel ohne Ausnahme: Ich denke schon, dass es Leute gibt, die dringend einen Coach benötigen: Fußballspieler zum Beispiel. Oder Astronauten, die sich auf eine Mission zum Mars vorbereiten müssen, was ich mir recht aufwändig vorstelle im Vergleich zu Hausaufgaben. Oder auch Menschen, die an irgendeiner Stelle im Leben Pech hatten und deshalb externe Hilfe benötigen, um wieder it sich und der Welt klar zu kommen. Wenn ich mir aber anschaue, wie an jeder Ecke plötzlich Coaches ihre ach so wichtigen Dienstleistungen anbieten, habe ich das Gefühl in einer Generation der Traumatisierten zu leben. Als würden wir hier im wohlhabendsten Teil der Welt hilflos wie Maikäfer auf dem Rücken liegen und darauf warten, dass uns endlich jemand wieder umdreht und in die richtige Richtung schubst. Der Witz dabei: Alle reden (oder denken zumindest) von Selbstoptimierung , scheinen das aber „selbst“ (und damit ohne fremde Hilfe) nicht gebacken zu bekommen. Also doch lieber fremdgesteuert – “hier werden Sie geholfen”.

Coaching-freie Zone.

Vor einiger Zeit hat sich eine befreundete Yogalehrerin auf Facebook über das Wort „Yoga-Trainer“ aufgeregt. Sie sehe sich selbst nicht als Trainerin. Das wäre ein Wort aus dem Sport und das hat ja mit Yoga überhaupt nichts zu tun. Aber sind wir als YogalehrerInnen nicht auch ein bisschen Trainer bzw. Coach? Wir leiten körperliche Übungen an und helfen den SchülerInnen dabei, diese mit der Zeit besser auszuführen. Zeigen ihnen Meditationstechniken für die geistige Regeneration. Und irgendwie ist das, was auf der Matte zwischen Eröffnungsmeditation und Savasana passiert, am Ende auch nur Bodenturnen. Deshalb denke ich schon, dass ich eine Art Trainer – oder Coach – bin. Trainer für diejenigen, die meine Klassen besuchen, um sich ein bisschen zu bewegen. Coach für diejenigen, die sich spirituell weiterentwickeln oder ihrem Gehirn etwas Ruhe gönnen möchten. Ich kann (theoretisch) beiden Gruppen helfen mit meinem Unterricht. Und sie damit motivieren, selbst an sich selbst zu arbeiten. Oder doch nicht?

Motivation ist alles?

Bevor ich jetzt ein verbales Eigentor schieße: Es gab vor langer Zeit mal ein paar schlaue (?) Worte von mir zum Thema Motivation. Und sicher braucht es auch eine gewisse Motivation, um Yoga zu praktizieren. Aber würde ein Coaching mir dabei helfen, Yoga zu praktizieren? Mir Wege aufzeigen, regelmäßiger und intensiver zu üben und so besser darin zu werden? Ich denke, jeder hat seine eigenen Motive, Yoga zu üben. Vielleicht willst du deine Rückenschmerzen kurieren, ein besserer Mensch werden oder einfach nur nette junge Damen (und Herren) kennenlernen. Aber ganz gleich, was es ist, du solltest es in deinem Inneren finden und nicht in den schlauen Sprüchen und motivierenden Zitaten andere Menschen. Sondern eher auf einer anderen Ebene. Wenn du Yoga wirklich liebst, dann findest du auch immer die Praxis, die richtig für dich ist. Ich liebe Yoga und wie in jeder guten Liebesbeziehung geht es da immer mal auf und ab. Manchmal übe ich mehr, dann mal wieder weniger. Ohne Druck, ohne Coach und ohne motivierende Zitate. Yoga ist für mich da und ich weiß, dass Yoga für mich da ist, wenn ich es brauche. Big love. Namaste.

PS: Wenn dir ein Coaching hilft, dein Leben besser zu machen, ist das natürlich nicht mein Problem. Mein eigentliches Problem mit dem Coaching-Wahn ist, dass alle Gecoachten hinterher denselben selbstoptimierten Mist von sich geben. Worthülsen statt individueller Gedanken und Prep-Talk statt selbständigem Denken.

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Fotos: Liza „Powermodus“ Meinhof