Was ich beim Schweißen über Yoga gelernt habe

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Achtsam bis in die Hörmuschel

Als Blogger und Yogalehrer bin ich ja ständig auf der Suche nach einem Thema. Etwas, worüber es sich lohnt zu schreiben bzw. in meinen Klassen zu sprechen. Du weißt schon, dieser superschlaue Gedanke, der dich am Anfang der Klasse fünf Minuten vom Turnen abhält. Deshalb gehe ich mit offenen Ohren durch die Welt und höre anderen auch mal zu. Oft ergibt sich genau auf diese Weise eine interessante Sicht der Dinge und damit ein Thema für eine Yogaklasse oder einen Blogbeitrag. Ich betrachte mein Zuhören als Teil meiner Achtsamkeit. Böse Zungen würden vielleicht behaupten, ich vermarkte mein Privatleben (und das anderer Menschen). Aber beim Yoga geht es eben immer auch ums Privatleben. Wir wollen ja auch abseits der Yogamatte nach yogischen Prinzipien leben. Und genau deshalb lohnt es sich, immer ganz genau zuzuhören, wenn das Leben etwas zu sagen hat.

Die Dreifaltigkeit der Fügetechnik..

Obwohl mein Gehör durch die jahrzehntelange Beschallung mit Rockmusik schon etwas überstrapaziert ist, musste ich letzte Woche nicht besonders angestrengt lauschen. Nein, es war ganz einfach herauszufinden, worüber ich heute schreiben würde. Denn das Leben zwängte mir ein ganz bestimmtes Thema förmlich auf: Die Verbindung. Innerhalb weniger Tage wurde ich gleich mit drei besonderen Formen der Verbindung konfrontiert, die mich am Ende zu einer ziemlich wichtigen Schlussfolgerung für mein Yogalehrerdasein brachten:

Auf der Hochzeit

Okay, diese Herleitung ist ziemlich platt. Aber ich sagte ja schon: Das Thema hat sich geradezu aufgedrängt. Ich war jedenfalls diese Woche auf einer Hochzeit und NATÜRLICH ging es da einzig und alleine um die Verbindung von zwei Menschen. So weit so gut. Ich bin zwar selbst verheiratet, glaube aber nicht, dass man einen Trauschein braucht, um glücklich miteinander zu leben. Aber ehrlich gesagt, glaube ich im Nachhinein, dass die Hochzeit nicht viel am Zusammenleben ändert. Ich würde zwar wieder heiraten und auch diese Woche war es ein ganz besonderer Tag. Der ultimative Stresstest für die Partnerschaft ist und bleibt immer noch das Kinderkriegen (und vor allem -aufziehen). Kinder sind häufig eine Konsequenz aus der Ehe und ebenfalls häufig der Grund, warum Ehen geschieden werden. Und damit sind wir bei der nächsten Form der zwischenmenschlichen Verbindung: Die Vater-Kind-Beziehung.

Am Vatertag

Der Vatertag ist an sich ein toller Vorwand, um vormittags Alkohol zu trinken. Und dieses Jahr konnte ich diesen feucht-fröhlichen Feiertag mit meinen Kindern UND meinem Vater verbringen. Und das bringt einen dann doch zum Nachdenken. Wird mein Sohn mich in 35 Jahren genau so sehen, wie ich meinen Vater heute? Will ich das oder kann ich das überhaupt? Und warum genau finden meine Kinder meinen uncoolen Vater viel cooler als mich??? Man weiß es nicht. Ich habe jedenfalls viel von meinem Vater gelernt (mache ich noch immer), aber eines konnte er mir leider nie beibringen. Das Schweißen. (= hammergute Überleitung zum nächsten Punkt!)

Beim Schweißkurs

Mit dem Schweißkurs habe ich mir am vorigen Wochenende einen kleinen Traum verwirklicht. Also meine Frau hat das für mich getan, weil sie mir die Kursteilnahme geschenkt hat. (Danke, Schatz, ich schweiße dir ein Gartentor oder so.) Beim Schweißen habe ich dann auch wirklich etwas wichtiges über meinen Yogaunterricht gelernt: Der Kurs dauerte acht Stunden und die ersten vier davon bestanden aus hartem Theorieunterricht: Materialkunde, Chemie und Elektrotechnik. Und ich (und die anderen Typen) wollte doch nur endlich mal ein Schweißgerät bedienen! Aber der Ausbilder bestand darauf: Wir müssten unbedingt wissen, was wir da zusammenfügen. Um die richtigen Arbeitsmaterialien einzusetzen, die richtigen Einstellungen am Gerät vorzunehmen und die richtige Schweißtechnik anzuwenden. Damit die Verbindung am Ende auch von Dauer ist. Und so sehr ich genervt war vom schulischen Frontalunterricht. So sehr habe ich auch verstanden, dass das 100% Yoga ist.

Connection ist alles.

Beim Yoga geht es uns meistens ums Loslassen und weniger ums Verbinden. Aber wenn wir Yogalehrer sind, sollten wir – genau wie beim Schweißen – nicht immer gleich loslegen und unsere erlernten Techniken abspulen. Unsere Meditationen, Flows und Posen. Nein, wir sollten uns erstmal anschauen, wer sich in den kommenden 60 oder 90 Minuten verbinden soll. Wer sitzt da vor uns auf der Matte und was genau braucht diese Person jetzt? Welche Rolle können wir dabei überhaupt spielen? Im Grunde also auch hier: Materialkunde, Chemie und Elektrotechnik. Denn nur dann kann der Funke wirklich überspringen und wir können in der Klasse eine dicke, fette Schweißnaht zwischen uns und unseren SchülerInnen ziehen. Und dann bleibt vielleicht auch nach der Yogaklasse noch eine Verbindung. Eine kleine, kaum wahrnehmbare Connection auf irgendeiner subtilen Ebene, die unsere SchülerInnen mit nach Hause nehmen. Und wir Lehrer natürlich auch. Ich weiß nicht, ob es diese Verbindung wirklich gibt, aber schon den Gedanken finde ich schön. Und musste deshalb einfach darüber schreiben. Vielen Dank fürs Lesen. Namaste.

PS: Der super-relaxte Tropilex Hängesessel auf den Bildern wurde mir freundlicherweise von Hängematten Gigant zur Verfügung gestellt. Vielen Dank J

Fotos: Liza „bis dass die Schweißnaht reißt“ Meinhof