Ja, i bin mi’m Radl da.
Ich liebe es, Fahrrad zu fahren. Das Fahrrad ist dem Auto und der U-Bahn im Stadtverkehr mehr als überlegen: Man steht nie im Stau, man sieht etwas von der Umgebung und man bewegt sich an der frischen Luft. Okay, man wird bei Regen auch nass und im Winter ist es unter Umständen etwas frostig an den Fingern. Aber das ziehe ich dem endlosen Im-Stau-Stehen oder der überfüllten und -heizten U-Bahn immer noch vor. Als wir noch kinderlos in Berlin gelebt haben, sind wir eigentlich nur noch Rad gefahren, zeitweise hatten wir auch gar kein Auto mehr. Und es ging trotzdem und zwar ziemlich gut! Was mir im Flachland des Nordens aber leider komplett abging, war das Mountainbike fahren. Das habe ich vor dem Umzug in die Hauptstadt einige Jahre lang etwas ernsthafter betrieben – in Karlsruhe beginnt ja der Schwarzwald schon und man kann das Mountainbike auf echten Mountains fahren. In Berlin gab es dann nur noch eine Art Radlergehege in der Nähe vom Ostbahnhof und das war mir dann doch etwas zu absurd.
So einfach ist es dann doch wieder nicht.
Okay, es hat noch mehr Gründe, warum ich das mit dem Mountainbike irgendwann aufgegeben habe. Was ich daran wirklich mochte, ist die Mischung aus körperlicher Verausgabung und „högschder“ Konzentration und Technik (klingt irgendwie nach Yoga, oder?). Was ich überhaupt nicht mochte, ist die Tatsache, dass man beim Radfahren oftmals mehr mit dem „Material“ als mit dem tatsächlichen Fahren beschäftigt ist. Reifen wollen aufgepumpt oder gleich gewechselt werden. Man muss Schrauben nachziehen, Ketten reinigen und ölen, Bremsbeläge wechseln und so weiter. Und wenn man es danach noch auf Rad schafft, bevor es dunkel geworden ist, muss das sündhaft teure Fahrzeug nach dem Ausritt gleich wieder gereinigt werden. Es ist fast so, als müsste man sich vor jeder Runde Yoga eine neue Matte stricken. Trotzdem sehne ich mich manchmal noch nach den schnellen Abfahrten. Und deshalb habe ich letztes Jahr wieder damit begonnen, mich regelmäßig tollkühn die Berge hinunter zu stürzen und sie danach (etwas weniger tollkühn) wieder hinauf zu quälen.
Achtsam am Abgrund.
Irgendwie habe ich ja das Gefühl, dass mein Yoga mich ganz gut auf das Extremradeln vorbereitet: Man man braucht dafür wirklich starke Muskeln, eine ausgeprägte Feinkoordination und – nicht zuletzt – ganz gute Nerven, wenn es schnell den Hang hinunter geht. Was Muckis und Koordination betrifft, wäre ich theoretisch auch mit einem ambitionierten Fitness-Training gut bedient. Die Nerven hingegen trainiere ich dann doch lieber mit sanfter Yogapraxis und Meditation. Für alle, die ihre Performance auf dem Mountainbike ebenfalls mit etwas Yoga pimpen wollen, habe ich deshalb ein paar spezielle Yoga-Asanas herausgesucht, die man auch ohne große Vorkenntnisse in den Trainingsalltag einbauen kann.
Meine persönlichen Top 7 Yoga-Übungen für Mountainbiker:
1. Die verkürzten Beinmuskeln
Egal ob Mountain-, Renn- oder Klapprad: Am Ende können die wenigsten Fahrer im Stehen ihre Füße berühren. Um das zu ändern, gibt es die Stehende Vorwärtsbeuge (Uttanasana).
2. Die 100%-Steigung
Sogar mit dem E-Bike kann ein steiler Streckenabschnitt aufwärts etwas spaßfrei werden. Also besser schon vorher die Muckis in Form bringen, z.B. mit dem Krieger I (Virabhadrasana I).
3. Der platte Reifen
Der platte Reifen ist auch unter anderen Namen bekannt: Die gebrochene Speiche, die gerissene Kette, die verschwundene Motivation, die spontane Trinkpause oder der einfache Sitz. Wir Yogis nennen die Haltung fachgerecht Sukhasana.
4. Die endlose Abfahrt
Du hast dich stundenlang den Berg hochgequält und stehst vor der längsten Abfahrt deines Lebens. Dann brauchst du aber starke Oberschenkel und die bekommst du unter anderem mit dem Stuhl (Utkatasana).
5. Der spontane Abstieg (harmlos)
No risk, no fun. Aber wenn es dich dann doch mal vom Rad wirft, solltest du es mit Humor und Würde hinnehmen. Und so lange liegen bleiben, bis der Schmerz nachlässt. Am besten in einer perfekten Leichenhaltung (Savasana).
6. Der spontane Abstieg (kritisch)
Bei einem Mountainbike-Unfall kann alles passieren. Nicht selten geschieht es, dass der Fahrer den Berg herunterpurzelt und seine Beine sich grotesk ineinander verwickeln. Klar im Vorteil ist hier, wer regelmäßig den Lotussitz (Padmasana) übt.
7. Der Morgen danach
Selten-Mountainbike-Fahrer wie ich spüren am Tag nach der Tour Verspannungen im ganzen Körper. Also zumindest, wenn sie ihren Bauch und die Oberschenkel durch einen Sturz in einen Riesenbluterguss verwandelt haben. Ein guter Weg, die Verspannungen (leider nicht die blauen Flecken) loszuwerden, ist der Drehsitz (Matsyasana).
Es geht auch anders(rum).
Als Yogalehrer sage ich naturgemäß immer, dass Yoga gut für alles und jeden ist. Und sicherlich ist es eine perfekte Ergänzung für fast alle Sportarten. Für Radfahrer ist wohl die Tatsache am interessantesten, dass sie mit Asanas ihre Feinmuskulatur optimieren und ihre Muskeln, Sehnen und Faszien ordentlich dehnen können. Und auch wenn ich fast nur noch im Alltag Radl fahre, merke ich doch, dass die Bewegungen mit den Pedalen und auf der Matte so etwas wie natürliche Feinde zu sein scheinen. Oder noch besser: So etwas wie Yin und Yang. Aber wie alles im Leben will ich auch meine körperliche Ertüchtigung im Gleichgewicht halten. Yin, Yang und gedehnte Beinrückseiten. Deshalb werde ich wohl auch in Zukunft meine Yogapraxis durch Mountainbiken ergänzen. Namaste.
Fotos: Liza Meinhof