Es ist alles für etwas gut – warum der Pfad zur Erleuchtung ein Umweg ist

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Es ist alles für etwas gut.

Lange Zeit dachte ich, dieser Satz sei eine Ausrede. Eine Rechtfertigung für alles, was nicht unmittelbar zu meinem Vorteil ist. Ich würde bestimmt nicht irgendwann an ein größeres oder kleineres Übel zurückdenken und mir sicher sein: „Gut, dass das damals so passiert ist! Was wäre ich heute nur für ein Mensch ohne all die nichtigen Streitigkeiten/Knochenbrüche/Hangovers der Vergangenheit.“ Mit 20 hätte ich nicht mal ansatzweise daran gedacht, so einen Schwachsinn zu akzeptieren. Mit 30 habe ich begonnen, die Sche… teilweise hinzunehmen. Und mit 40 fange ich an zu kapieren, dass sie wirklich für etwas gut sein kann. Was mich vor zehn Jahren scheinbar aufgehalten hat, bringt mich jetzt voran. Es funktioniert! Und lässt mich besser mit dem zurechtkommen, worauf ich heute lieber verzichten würde. Die nichtigen Streitigkeiten/Knochenbrüche/Hangovers von 2018 lassen mich 2048 sicher mega-weise werden. Erleuchtung, ich komme!

Es ist alles für etwas gut.

Alles unter Schallgeschwindigkeit fühlt sich für mich als partielle Lähmung an. Ich musste ganz schnell zum Superyogi mutieren, einen eigenen Yogablog starten gleich noch eine Yogalehrerausbildung draufsetzen. Typisch ich: Alles im Zackzack-Modus, am besten drei Dinge gleichzeitig und natürlich so gut wie nur irgend möglich. Wenn mich dabei irgendwas aufhält, ist das eher lästig als „für etwas gut“. Das geht ja nicht nur mir so, ich fürchte andere sind da noch schlimmer. Diese Selbstoptimierer zum Beispiel, mit ihren Monatszielen, Fitnessuhren und persönlichen Leistungsdiagrammen. Mich hat ja mal tatsächlich jemand nach meinen „körperlichen Zielen“ fürs neue Jahr gefragt (Antwort: „Überleben“). Aber ja, die Welt dreht sich irgendwie ziemlich schnell im Moment und ich drehe mit. Meditieren? Ja, bitte – gut für mich. Asanapraxis? Ebenfalls. Schlaue Sachen lesen und mit schlauen Leuten diskutieren? Nur her damit. Aber wehe, etwas läuft dabei nicht nach Plan.

Es ist alles für etwas gut.

Letzte Woche lief es mal wieder so überhaupt nicht nach Plan. Die Kinder haben was Schönes aus dem Kindergarten mitgebracht (Bakterien). Und nach zwei fast schlaflosen Nächten bei den Kleinen hatte ich dann auch endlich meine erste dicke Saison-Erkältung. Die kam gerade noch rechtzeitig zum Beginn meiner Thai Yoga Massage-Ausbildung für Yogalehrer. Weil ich nicht gleich an mein Teacher Training nochmal eine 300-Stunden-Zusatzausbildung ranhängen wollte, habe ich mich entschlossen, mir quasi fortbildungsmäßig die Rosinen rauszupicken, unter anderem dieses Massagetraining. Alles andere brauche ich ja sowieso nicht, um weiter zu kommen auf meinem Weg (siehe oben). Ich war schon seit Ewigkeiten für das Thai Yoga-Programm angemeldet und als es endlich soweit war, bin ich mit diesem „Das wird heute nix“-Gefühl aufgewacht. Autsch. Also habe ich (mit letzter Kraft trotz Männerschnupfen) den Anmeldebogen gecheckt, ob ich vielleicht mit einem ärztlichen Attest o.ä. aus der Nummer rauskäme. Aber Fehlanzeige. Rücktritt ausgeschlossen und telefonisch erreicht man bei so einer Akademie für Yogalehre natürlich auch niemanden um 7 Uhr in der Frühe. Also habe ich mich mit ein paar Bechern Kaffee und einer Dusche selbstoptimiert und auf den Weg gemacht. Ziel: Überleben.

Es ist alles für etwas gut.

Über Thai Yoga Massage habe ich ja schon mal geschrieben, deshalb fasse ich meine fünftägige Aus- bzw. Weiterbildung mit wenigen Worten zusammen: Es war für etwas gut. Für einiges. Weil ich so vor mich hingeschnupft habe, war ich eher im Hintergrund und konnte z.B. bei der täglichen Asanapraxis gar nicht mitmachen. Das fand ich Bewegungs-Junki natürlich gar nicht so toll. Genau so wenig wie das Tempo, in dem die Inhalte vermittelt wurden. Ständig dachte ich, dass man das alles schneller machen könnte, mehr Stoff in die Woche reinpacken anstatt jeden Tag mit einer Stunde Meditation zu beginnen. Und erst am Ende habe ich kapiert, dass es genau das war, was ich in diesem Mini-Retreat mit Massagekurs gelernt habe: Entschleunigung pur. Weil man genau die braucht, um eine liebevolle Berührung geben zu können. Fahr’ einen Gang zurück und berühre jemanden mit deinem Herzen. Das ist die ganze Magie. Ungeduld und Ehrgeiz sind hier für gar nichts gut. Es braucht Loslassen und Hingabe.

Es ist alles für etwas gut.

Manchmal fühle ich mich nicht halb so schlau, wie ich gerne wäre. Zum Beispiel wenn mir zeitversetzt ein riesiges Licht aufgeht. Weil ich etwas endlich verstanden habe. Das mit dem Entschleunigen hatte ich schon relativ bald kapiert. Aber wie es dann weiter ging, war doch eine Überraschung. Denn die Thai Yoga Massage-Ausbildung war für ganz andere Dinge gut, als ich ursprünglich erwartet (geplant) hatte. Meine Praxis und mein Unterricht sind diese Woche irgendwie anders. Weniger aufgeregt, sanfter und insgesamt ruhiger. Obwohl ich dabei noch gar nichts Gelerntes aus der Thai Yoga Massage-Ausbildung anwende. In einer Klasse habe ich sogar 45 Minuten lang vergessen, die Musik anzumachen – es war wunderbar. Und deshalb bin ich mir noch sicherer als zuvor: Es ist alles für etwas gut. Eine Massageausbildung entschleunigt wider Erwarten meine Yogapraxis. Soweit, so gut. Jetzt muss ich allerdings noch herausfinden, was ich genau tun muss, um meine Massage-Skills aufs nächste Level zu bringen. Aber ich lasse es erst mal ruhig angehen. Namaste.

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Fotos: Liza „Kannst du mich jetzt bitte massieren?“ Meinhof


One response to “Es ist alles für etwas gut – warum der Pfad zur Erleuchtung ein Umweg ist”

  1. Jörg Avatar
    Jörg

    Genau so ist es. Alles ist für irgendwas gut. Hab ich vor acht Jahren auch nicht glauben wollen, als ich als Forstwirt einen Gleitwirbel mit Versteifungs Op hatte. Ohne diesen ganzen Scheiß wäre ich wahrscheinlich nicht beim Yoga und der ein oder anderen Einsicht gelangt. Manchmal dauert es nur etwas länger den Sinn zu erkennen. Aber er ist vorhanden. Schönen Sonntag für alle, Namaste 🙏