Yogadude on the Road – YEZ Yoga Festival Stuttgart 2020

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Wir müssen über Rassismus sprechen.

Na ja, eigentlich müssen wir nicht über Rassismus sprechen. Wir sind ja schließlich Yogis. (Wenn du zufällig Yogi UND Rassist bist, schick mir gerne eine Nachricht – würde mich interessieren, wie du das argumentativ zusammen bekommst.) Wie auch immer: Rassismus ist leider immer noch ein Problem. Und das wird – bedingt euch politische Hetze und soziale Ungerechtigkeit – in den kommenden Jahren wahrscheinlich nicht geringer werden. „Die“ nehmen uns unsere Jobs weg! „Die” zerstören unsere German Leit(Leid?)kultur! „Die“ fressen unsere Kinder auf! Es gibt ja eigentlich nichts mehr, woran „die“ nicht Schuld wären, oder? Viel Spaß damit, liebe Kinder. Damit und mit der ebenfalls wachsenden Klimaproblemaktik. Für die sind übrigens ebenfalls die Migranten mit ihren Steinkohle-betriebenen SUVs verantwortlich, schätze ich. 

Weniger ist mehr: Rassismus light.

Mit meinem semi-ländlichen Hintergrund kenne ich Rassismus in all seinen Farben (braun) und Ausprägungen. Es sind ja nicht nur die bösen Flüchtlinge, die man scheiße finden kann. In unserem Ort mochten wir schon die Leute aus dem Nachbarort nicht sonderlich („Inzucht!“). Und als geborener und gläubiger Badener kann man sowieso niemanden außerhalb der Landesgrenzen (von 1952) so recht leiden. Die Pfälzer auf der anderen Seite des Rheins stehen da traditionell auf einer Stufe mit den angrenzend lebenden Franzosen. Und auf der anderen Seite im Osten? Schwaben! Überall Schwaben! Und die sind (eventuell mit Ausnahme von Mercedes-Benz und Guido Buchwald) ein schwieriges Thema in meiner badischen Heimat. Weil sie so geizig sind. Und so komisch reden. Und wahrscheinlich ebenfalls unsere Kinder fressen (ist ja schließlich günstiger als die eigenen zu verspeisen). Wer sich in Karlsruhe als Schwabe outet, kann innerhalb kürzester Zeit alles über Rassismus am eigenen Leib erfahren. 

In der Höhle der drei Löwen.

Wer sich in Stuttgart als Badener zu erkennen gibt, hat es übrigens auch nicht leicht. In der kurzen Zeit, die ich (direkt nach dem Studium) in Benztown gelebt habe, konnte ich das ebenfalls am eigenen Leib erfahren. Und es war nicht unbedingt lustig. Weil ich aber so etwas wie der selbst ernannte Integrationsminister der Yogarepublik Deutschland bin, fahre ich trotzdem ab und an in den prächtigen Talkessel im Herzen des Schwabenlandes. Zum Beispiel, um auf der Bahnfahrt von München nach Karlsruhe umzusteigen (haha!). Oder meinen geliebten Karlsruher SC auswärts gegen den VfB Stuttgart zu unterstützen. Oder aber, um Yoga zu unterrichten. Wie am letzten Sonntag beim YEZ Yoga Festival. Dort durfte ich – das allererste Mal überhaupt – eine Rockstar Yoga-Klasse anleiten. Zu meinem Glück natürlich in der Carl Benz-Arena mit Blick auf das liebenswerte Gottlieb Daimler-Stadion. Und so war es im Land der Spätzleschaber und Häuslebauer für mich dann:

Ehrgeiz statt Geiz.

Man kann über Stuttgart sagen, was man will (Stau, Abgase, Waschbeton…): Beim YEZ wurde an keiner Stelle gespart. Zumindest nicht am Menschlichen oder Organisatorischen. Für mich begann der Festival-Tag nach einer frühen Anfahrt mit der Bahn mit einem herzlichen Empfang und einer Tasse Kaffee. Und auch wenn nicht nicht wirklich viel Erfahrung als Festival-Yogalehrer habe, muss ich die Organisatoren aus Stuttgart jetzt mal für ihr Gesamtpaket loben: Mit dem Kaffee in der Hand wurde ich Rockstar-like in die Umkleide (beleuchtete Schminkspiegel!) geführt und mit Verzehrmärkchen für Essen und Getränke ausgestattet. Das mit den Märkchen ist mega Rockstar-like, finde ich – es hat nur noch die obligatorische Flasche Jack Daniel’s in der Umkleide gefehlt. Für mich gab es dann erstmal eine Runde Jivamukti Yoga mit einem meiner absolute Lieblingslehrer Moritz Ulrich von Peace Yoga Berlin. Und ehrlich gesagt ging mir während seiner Session ein wenig der Leggings-bespannte Arsch auf Grundeis, weil im Raum ca. 250 Yogis mit mir übten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Yogafestivals bietet das YEZ nämlich nur zwei Veranstaltungen gleichzeitig an, die Workshops etc. in einem sehr kleinen Raum. Die eigentlichen Yogaklassen finden in einer großen Halle statt, weswegen das nervige Hin- und Herlaufen und Schlangestehen vor den Yogaklassen entfällt. Das ist etwas, was andere Yogafestivals für mich als Teilnehmer etwas abtörnend macht – und das YEZ im Gegenzug dafür ziemlich attraktiv.

Quod erat demonstrandum.

Aber nicht nur die Rahmenbedingungen haben in Stuttgart für mich gepasst wie Arsch auf Eimer: Auch die Stimmung war eine ganz Besondere. Was das betrifft hängt meine Messlatte mit dem Copenhagen Yoga Festival zwar ziemlich hoch – aber die Schwaben haben sich hier von ihrer dänischsten Seite gezeigt. Und einem badischen Yogadude wie mir ganz schön viel Liebe entgegen gebracht. Bei meiner Rockstar Yoga-Klasse war der riesige Raum proppenvoll und wir haben uns zusammen prächtig amüsiert! Es gab Luftgitarren und Mikrofon-Krieger und Windmühlen und jede Menge gute Laune. Für mich war das Ding ein absolutes Highlight meiner (noch sehr kurzen) Yogalehrer-Laufbahn. Und mal wieder der Beweis, dass Rassismus (auch in seiner regional ausgeprägten Form) totaler Schwachsinn ist. Und – auch wenn ich dafür in Karlsruhe Lokalverbot bekomme – kann ich es jetzt zugeben: Ich bin eigentlich auch Schwabe. Also zumindest bin ich das jedes Mal, wenn ich in Berlin bin. Denn dort brauchen sie manchmal nicht nur Nachhilfe in Sachen innerdeutschem Rassismus, sondern auch in Sachen Geografie. Namaste.

Hier geht’s zur Website vom YEZ Yoga Festival

Fotos: crijo Fotografie


One response to “Yogadude on the Road – YEZ Yoga Festival Stuttgart 2020”

  1. Ute Schilling Avatar
    Ute Schilling

    Deine Klasse beim diesjähriges YEZ war die beste überhaupt! Hatte lange nicht mehr so viel Spaß beim Yoga. Weiter so; nicht nachlassen! Grüße von einer waschechten Schwäbin aus Stuttgart – bis nächstes Jahr