Voll gut!
Ich bin ja ein Verkäufertyp. Ein wahres Vertriebsgenie (finde ich). Meine Ware: Yoga. Schon bevor ich selbst unterrichtet habe, bin ich damit hart hausieren gegangen. Yoga für Männer, Yoga für alle, Yoga zum Runterkommen, Yoga für mehr Power. Und Yoga ist ja auch das Beste! Für die Liebe, dein Äußeres, deine Karriere, deinen SCHUFA-Score, deine Umwelt, deinen Sitzplatz in der Straßenbahn und dieses einzigartig-lifestylige Hochgefühl, wenn du in Schlabberpulli und Leggings morgens um 6:30 Uhr aus dem Haus taumelst und weißt: Das ist Yoga, Mann! Und genau deshalb werde ich auch weiterhin Yoga verkaufen (jetzt praktischerweise in meinem eigenen Yogastudio), ganz besonders in der Back Friday-Mega-Shopping-Pre-Christmas-Konsum-Überfluss-Woche. Denn Yoga verkauft sich wie geschnitten Brot – nicht zuletzt, weil es für so viele Sachen einfach nur unglaublich gut ist. Unter anderem auch für deine Abwehrkräfte.
Voll daneben.
Jetzt, wo die Tage kurz und kalt sind, erzählen wieder alle, wie awesome Yoga fürs Immunsystem ist. Mit ein paar Asanas täglich und einigen ausgewählten Atemübungen kommst du husten- und schnupfenfrei durch den Winter. Das kann nur Yoga. BÄM! Einige wenige Zweifel habe ich allerdings an dieser Theorie. Und die sind – im Gegensatz zu den meisten vorbeugenden Turn- und Schnaufanleitungen im Internet – statistisch belegbar: Denn gerade macht sich in der Münchener Yogalehrerszene wieder eine fiese Infektionswelle breit. (Diesmal trifft es – besonders perfide – die Stimmbänder.) Und ehrlich gesagt wundert das auch gar nicht. Verschwitzte Menschen auf engstem Raum? Geschlossene Fenster und erhöhte Raumtemperaturen? Da feiern die Viren eine Party und alle Bakterien sind eingeladen, Baby. Ich bin zwar kein Arzt – aber wenn ich den Erreger aus dem Film „Outbreak“ nachzüchten wollte, würde ich an der Türklinke im Kindergarten einen Abstrich machen und die Kultur in einem x-beliebigen Yogastudio reifen lassen. Viral ohne Ende!
Voll gemein.
„Mimimimimi. Stimmt doch gar nicht, ich übe im Winter nämlich nur alleine zuhause und da gibt’s gar keine Bazillen.“ Ja, kann man machen (mache ich auch) und ich verstehe, dass du gerne Zeit mit Mady Morrison alleine verbringen willst. Aber es ist leider nicht dasselbe wie die Gruppendynamik einer geführten Studioklasse. Und nach dem, was ich so höre, gehört frische Luft auf jeden Fall dazu, wenn man die Atemwege infektionsfrei durch die kalte Jahreszeit bekommen will. Deshalb fahre ich persönlich auch jetzt noch meistens mit dem Radl durch die Gegend und gehe sogar (mitsamt Schweinehund) wieder im Wald Laufen. Doch ohne Yoga wollte ich trotzdem nicht sein. Und es würde auch ein essenzieller Teil meines Immunsystems ohne meine täglichen Übungen leiden: Meine mentale Abwehr. Denn ohne meine spirituelle Praxis fühle ich mich unausgeglichen und angreifbar. Das merke ich, wenn ich mal ein paar Tage nicht dazu komme, zu üben und zu meditieren. Und kein Fahrrad, kein Laufschuh und nicht mal Süßigkeiten sind da ein adäquater Yoga-Ersatz. Yoga legt einen Panzer (zumindest ein Pänzerchen) aus Ruhe und Klarheit um meine Gedanken. Was daran nicht gleich abprallt (man ist ja kein Yoga-Roboter), gelangt wenigstens nicht besonders tief in offene Wunden. Falls trotzdem mal was Bösartiges hineingelangt, spüle ich es einfach mit dem Atem wieder raus. Om Shanti, ihr Penner!
Voll dagegen!
Und wo ich in diesem Beitrag schon mal das Pöbel-Level erreicht habe, noch ein wenig Klugescheißertum. Abwehrkräfte sind ja mich nicht unbedingt ein Synonym für das Immunsystem. Meine Interpretation: Wenn ich gegen etwas immun bin, gelangt es erst gar nicht in meinen Tanzbereich. Im Begriff „Abwehrkraft“ steckt allerdings schon das „Wehren“ – und damit eine Form von Kampf – drin. Und auch wenn Yoga nicht unbedingt das Immunsystem unterstützt, kann es durchaus die Abwehrkräfte stärken. Wenn wir mental angegriffen werden. Oder in dem was wir sind, in unserer Art zu leben. Und da gibt es einiges zu tun in letzter Zeit: Die Klimaproblematik, zum Beispiel. Und die Tatsache, dass die den Regierenden am Allerwertesten vorbeigeht. Die wachsende soziale Ungerechtigkeit auf der ganzen Welt und damit die größte Vermögensumverteilung in der Geschichte der Menschheit. Oder die sichtbare Entwicklung, dass es genügt, sich wie ein rücksichtsloses A…loch zu verhalten, um die ganze Welt zu regieren. Im Bundestag, dem Weißen Haus oder auch bei dir und mir im Büro.
Voll druff!
Ein paar Tage mit Triefnase und Müdigkeit überstehe ich schon noch. Dafür brauche ich kein Yoga. Aber für den ganzen anderen Mist schon. Nicht, um ihn zu ertragen und das Leid und die Ungerechtigkeit in der Welt sanftmütig wegzuatmen. Sondern um meinen Allerwertesten ab und an von der Matte zu heben, und mich zu wehren. Das kann auch friedlich sein – man muss keine Steine werfen, um ein Krieger zu sein. Den Black Friday-Krempel kriege ich ganz passiv in den Griff – mit einem Leben ohne neuen Fernseher (Spoiler: Wir haben nicht mal einen Alten Fernseher). Dafür kann ich die gewonnen Lebenszeit ja nutzen und den Wald aufräumen, die Zeitung lesen und unbequeme E-Mails an meine Abgeordneten schreiben. Oder mich solidarisch in eine Fridays-for-Future-Demo stellen. Für das, was meine gewählten Vertreter für mich nicht regeln, muss ich eben die Komfortzone manchmal verlassen und trotz Kälte raus in die Welt gehen. Und wenn ich schon mal draußen bin, kann ich auch gleich noch was für meine Gesundheit tun und das Immunsystem stärken. Mit einer Runde Snoga an der frischen Luft. Namaste im Schnee.