Das Yogawort zum Sonntag – Oberlehrerton

Der Mensch lebt nicht vom Yoga allein.

Yogalehrer ist ein Nebenjob. Also zumindest bei fast allen Yogalehrern, die ich kenne, ist das so. Denn erstens ist der Job nicht unbedingt gut bezahlt und zweitens ist es schwierig auf einen klassischen 8-Stunden-Tag zu kommen (ohne sich selbst kaputt zu machen). Für eine 60-Minuten-Klasse hat ein Yogalehrer im Normalfall mindestens zwei Stunden Aufwand – wenn er die Stunde nicht extra vorbereitet und in der Nähe des Studios lebt. Und es ist nahezu utopisch vier Klassen am Tag zu unterrichten, ohne von morgens früh bis in die Nacht dafür unterwegs zu sein. Das Amateurlehrerdasein hat aber auch Vorteile: So lange ich nicht ausschließlich vom Yogaunterricht leben muss, hat das Ganze noch eine gewisse Leichtigkeit. Und außerdem mag ich meine beiden anderen Jobs auch ganz gerne und will sie nicht unbedingt aufgeben. Neben der Lehrertätigkeit und dem Bloggen arbeite ich immer noch als Creative Director für verschiedene Startups, Marken und Digitalagenturen.

Business, Business, Baby.

In meiner schizophrenen beruflichen Dreifachposition habe ich diese Woche die ISPO Digitize in München besucht. Bei der Konferenz dreht sich alles – wie der etwas kryptische Name implizieren will – um die Digitalisierung der Sportbranche. Das Programm war breit gefächert und es gab nicht nur jede Menge interessante Vorträge und Workshops, sondern auch noch spannende Menschen kennen zu lernen. Interessanterweise wirkten die (was das Körperliche betrifft) fast alle wesentlich sportlicher als ich. Dafür waren sie aber überhaupt nicht sportlich gekleidet (abgesehen von den obligatorisch blitzsauberen Sneakers). Naja, es war ja auch ein Geschäftstermin und sogar ich habe mir die Mühe gemacht, eine lange Hose und einen sauberen Hoodie überzuziehen.

Der abwärtsschauende Roboter.

Auf dem Weg zur Konferenz habe mir mal überlegt, inwieweit Yoga sich überhaupt digitalisieren lässt und auf welchem Level das heute bereits geschehen ist. Dieser Blog ist ja schon mal ein gutes Beispiel für digitales Yoga, früher hätte ich wohl ein Printmagazin veröffentlichen müssen (oder zumindest meine eigene Kolumne im Yoga Journal). Und das Internet spielt auch im Yoga-Alltag eine wesentliche Rolle:  Man kann sich online für die Yogaklasse einchecken (z.B. mit Urban Sports Club) oder Meditations-Apps benutzen und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis Roboter uns beim Yoga unterrichten werden. Davor fürchte ich mich aber ein bisschen. Zwar fände ich perfekt mitgezählte Atemzüge irgendwie reizvoll, wollte mich aber ungern von einer eiskalten Robo-Hand in Form biegen lassen. Auch wenn diese Form dann noch so geometrisch perfekt ist. Größter Vorteil des Yogalehrroboters: Er meckert nicht wegen zu schlechter Bezahlung und wird nie krank. Also eventuell doch ein Zukunftsmodell, hehe.

Synergieeffekte durch konsolidiertes Wording.

Irgendwann im Lauf des ersten Konferenztages fiel mir etwas auf: Alle Präsentation klangen irgendwie gleich. Typischer Business-Ton, stets begeistert aber an jedem Punkt seriös. Als würde man irgendwo lernen (von einem Roboter?) , dass eine Präsentation genau wie eine Präsentation zu klingen hat. Ich war schon auf einigen Konferenzen und es ist überall dasselbe. Und ganz ehrlich, ich erwische mich auch selbst dabei: Sobald es ums „Geschäft“ geht, ändern sich bei mir Tonfall und Vokabular. Weg von normaler Menschensprache hin zur textlichen Untermalung von Powerpoint-Slides. Buzzwords werden umständlich aneinandergereiht, Anglizismen und Abkürzungen (ROI? Performant!) in jede noch so enge Lücke gepresst und dramatische Betonungen enden in noch dramatischeren Atempausen. Ich denke, ich habe mir das am Anfang meines Berufslebens mal bei den „Großen“ abgeguckt (bzw. abgehört) und jetzt repliziere ich das immer wieder im Automatikmodus. Dabei langweile ich mich sogar selbst, wenn ich mir dabei zuhöre.

Neuer Job, neues Glück?

Weil Yogaunterricht irgendwie gar nicht so weit weg ist von dem, was man in Business-Präsentationen macht, bin ich jetzt natürlich alarmiert. Spreche ich auch in meinen Yogaklassen die typische „Yogalehrersprache“? Imitiere ich am Ende nur jemanden, den ich vor Jahren mal für kompetent hielt? Benutze ich unnötig oft Sankritbezeichnungen für die Yogaübungen und fühle ich mich wie ein Profi, nur weil ich Brahma und Brahman auseinanderhalten kann? Fakt ist: Viele Lehrer ändern ihren Tonfall, sobald ihre Yogaklasse beginnt. Und Fakt ist auch: Ich will nicht dazu gehören. Ich mache mein eigenes Ding und will einen (Achtung, Unwort:) authentischen Unterricht geben. Ich denke, das sollten wir alle. Und eigentlich ist es keine große Herausforderung für uns Yogalehrende, denn Yoga ist am Ende auch die Reise zu uns selbst. Und wenn wir soviel Lebensenergie investieren, um zu uns selbst zu finden, sollten wir auch sprechen können, wie wir selbst. Und nicht wie irgendeine Kopie, die wir gar nicht sein wollen. Namaste.

Fotos: Liza Meinhof