Das Savasana meines Lebens

Ende gut, alles gut.

Im Rahmen meiner Yogalehrerausbildung habe ich die alten Schriften studiert: Weise Männer und Frauen haben mir in entlegenen Tälern und in den Hinterzimmern von winzigen Räucherstäbchen-Shops unsagbar alte Dokumente zugänglich gemacht. Jahrtausende alte Überlieferungen habe ich gesehen, im Prinzip durfte ich einen Blick auf die ungeschnittene Dircetor’s Cut-Version des alten Yoga-Testaments werfen. Also zumindest kam es mir so vor, als ich begann, mich endlich mal halbwegs mit den geschichtlichen Hintergründen des Yoga auseinanderzusetzen. In Wirklichkeit habe ich in einem (sehr gut gemachten) Seminarordner gelesen und – Schande über mich – noch nicht mal in die Originalschriften von Patanjali und Co. geschaut. Aber bei aller Ignoranz kann ich mir denken, wie die heiligen Yogabücher alle enden: „Leg dich jetzt auf den Rücken und richte dich für die Abschlussentspannung ein“. Savasana als Happy End.

Savasana bitte!

Ich liebe Savasana und damit bin ich nicht alleine. Klar. Aber neben der Entspannung, die mir diese Minuten in Stille schenken, hat Savasana eine weitere wichtige Funktion in der Yogapraxis: Es ist ein Abschlussritual als fester Bestandteil der Klasse. Egal, was du vorher auf der Matte getrieben hast, am Schluss liegen alle nebeneinander und chillen noch ein wenig, bevor es wieder rausgeht in die „echte“ Welt. Ohne Savasana würde man vielleicht nach der letzten Übung nochmal kurz ein Ömchen anstimmen und dann gemütlich aus der Klasse schlendern. Savasana zwingt uns Schüler (und Lehrer) aber dazu, noch ein paar Momente inne zu halten, still zu liegen und das Geschehene zu würdigen. Eine gute Sache.

Endzeitstimmung

Nach sechs Monaten Yoga Teacher Training steht bei mir dieses Wochenende die Abschlussprüfung an. Und die Nerven liegen – wohlwollend formuliert – blank. So viel Theorie ist noch zu wiederholen, die praktische Prüfung vorzubereiten, ich muss lernen, üben, ausprobieren, dokumentieren und – ganz nebenbei – noch eine vierköpfige Familie ernähren. In meinem Kopf hatte ich mir die letzten Wochen vor der Prüfung schön ausgemalt: Wenig arbeiten gehen, den Blog links liegen lassen und mich – zusammen mit den MitschülerInnen – voll und ganz auf das Abschlusswochenende vorbereiten. Die Realität sieht natürlich ganz anders aus: Die Kunden bewerfen mich mit Aufträgen, die Kinder spielen verrückt, im Blog gibt es Aktionen, die sich einfach nicht verschieben lassen und die KollegInnen aus dem Teacher Training haben mindestens genauso wenig Zeit wie ich. Reality? Check.

Am Ende wird’s eng.

Irgendwie ist es ja immer so: Sobald das Ende von etwas oder ein Abschied ansteht, geht einem schlagartig die Zeit aus. Nach sechs Wochen in einem stressigen Agenturprojekt bleibt selten noch eine halbe Stunde für ein gemeinsames Bier. Am Ende des vierwöchigen Urlaubs ist man zu sehr mit Packen und Rückreiseplanung beschäftigt, als dass man sich in Ruhe mit einem schönen letzten Sonnenuntergang verabschieden könnte. So langsam bekomme ich das Gefühl, dass sogar mein eigener Tod einmal zwischen Tür und Angel stattfinden wird, weil ich zu beschäftigt bin, ordentlich Abschied zu nehmen. Das wird der Sache dann doch irgendwie nicht ganz gerecht, oder? Man beschäftigt sich lange und intensiv mit etwas und sobald es sich dem Ende neigt, muss man ganz schnell weiter hetzen. Ins nächste Projekt, zurück in den Alltag, weiter zur Wiedergeburt. Dabei ist der Abschluss mindestens so wichtig wie der Anfang. Reflektieren, sortieren, dankbar sein.

So viel Zeit muss sein.

Dieses Wochenende ist – wie gesagt – die Yogalehrerausbildung für mich vorbei. Und der gute Vorsatz ist schon mal da: Ich will dieses Prüfungswochenende zu meinem persönlichen Dauer-Savasana machen. Als Abschluss meines Teacher Trainings. Also nicht drei Tage lang auf dem Boden rumliegen (wäre als Abschlussvoraussetzung vermutlich schwierig), sondern das Ganze nochmal Revue passieren lassen. Denn ich hatte das Glück, so viel Tolles zu erleben und so viele wunderbare Menschen kennen zu lernen, dass ich mich würde- und respektvoll verabschieden will. Nicht wieder weiterhetzen, nicht vor lauter Prüfungsstress vergessen, wie wunderbar und intensiv die letzten Monate zusammen waren. Dieses Mal will ich es schaffen und mir die Zeit nehmen, die es für einen standesgemäßen Abschied braucht. Für meine Freunde, meine Lehrer und für mich. Namaste.

Fotos: Liza Meinhof


3 responses to “Das Savasana meines Lebens”

  1. Antje Avatar
    Antje

    Lieber Thomas, genau in mein Herz getroffen. Lass uns gemeinsam durchs Wochenende chillen und genießen. Jetzt, genau jetzt!!! Denn es wird nicht wieder kommen. Freue mich auf die letzten drei Tage. Die letzten sechs Monate waren so intensiv, dass sie ganz fest in unseren Seelen sind. Wir haben zusammen gelacht und geweint. Jetzt legen wir nochmal gemeinsam hin für Savasana. NAMASTE my Friend 🕉

  2. Sara Avatar

    Hallo lieber Thomas, das klingt wunderbar und vor allem nach ein paar einleitenden Worten zum Shavasana-Prüfungswochenende. Das erinnert mich wieder daran, dass alles im jetzt stattfindet. Du hast nur diesen Moment, nicht das was war und nicht das was kommt. Also schwing dich hinein in das schöne Herzklopfen und das schöne Gefühl, wenn du es dann erstmal geschafft hat! Du machst das schon!

  3. […] verliehen bekommen, sondern mich auch von meinen liebgewonnenen Kollegen verabschieden müssen. Dafür wollte ich mir ja besonders viel Zeit nehmen und dieser Plan ging zum Glück halbwegs auf: Es wurde viel gesprochen, es gab lange gemeinsame […]