Mein erstes Mal – als Yoga-Zauberlehrling

It’s a kind of magic.

Manche Leute werfen mir vor, „die Dinge“ nicht ernst genug zu nehmen. Für mich ist das ein Kompliment, denn ich versuche, alles in meinem Leben mit einem gewissen Spaßfaktor auszustatten. Und eigentlich kann ich fast jeder Situation etwas Positives abgewinnen. Vielleicht bin ich ein Optimist, vielleicht aber auch nur gleichgültig. Doch bei allem Spaß nehme ich ziemlich viele Dinge tatsächlich ziemlich ernst. Meine Familie gehört dazu und auch mein Job. Und natürlich mein Yoga und meine Yogalehrerausbildung. Allerdings gibt es auch da eine gewisse Parallelwahrnehmung: Seit dem ersten Tag fühle ich mich ein bisschen wie Harry Potter in Hogwarts. Die Schüler verlassen für die Unterrichtswochenenden ihre Muggelfamilien, wurden auf verschiedene Häuser (Kleingruppen) aufgeteilt und lernen sonderbare Dinge wie Indische Mythologie, Sanskrit und irgendwie auch ein kleines bisschen Magie.

Gleis 9 ¾ – Abfahrt bitte!

Zu meiner Ausbildung zum Yogazauberer gehört neben Zaubersprüchen lernen (Lokah Samastah Wiewardasnoch?) und Matten-Quidditch (zum Glück ohne Besen) auch bei Yogaklassen zu hospitieren, also die Stunden zu beobachten und zu analysieren. Ich halte das für einen guten Weg, das Zaubern zu lernen, vor allem weil so noch mal Input von anderen Lehrern den Weg in meine Ausbildung findet. Für meine erste Stundenhospitation habe ich mir ganz bewusst Peace Yoga Berlin ausgesucht, meine alte Homebase. Hier bin ich quasi zum Yogi mutiert, hier habe ich viele tolle Menschen kennengelernt. Und hier wollte ich eine Jivamukti Basic-Klasse mit Fokus auf Rückbeugen bei meiner geschätzten Yogalehrerinnenfreundin Dana besuchen. Die Basic-Klasse schien mir perfekt – 90 Minuten lang werden Anfänger hier behutsam in die einzelnen Asanas eingeführt. Guter Stoff für werdende Lehrer.

Nur dabei statt mittendrin?

Bei Harry Potter gibt es Situationen, in denen die jungen Zauberschüler fast an der Masse und dem Anspruch des ganzen Lernstoffs verzweifeln. Und so ähnlich ging es mir bei meiner ersten Hospitation. Als Yogi auf der Matte ist eine Yogaklasse erstmal eine Yogaklasse. Man kann sie gut finden oder manchmal auch nicht so gut. Aber wer sich vornimmt, alles zu dokumentieren, was in diesen 90 Minuten passiert, stößt schnell an seine Grenzen. In meinem Fall ist das größte Limit ganz eindeutig die Fähigkeit, leserlich zu schreiben. Und was ich alles aufgeschrieben habe: Beleuchtung, Musik, Anleitungen, Assists, Hilfsmittel, Asanas undsoweiterundsofort. Wenn mir einer erzählt, er hätte eine Yogaklasse hospitiert und dabei tatsächlich alle Asanas mitgeübt, verpfeife ich den Lügner sofort bei Dumbledore. Es geht nicht, ich hatte – trotz einiger Unterbrechungen für die Anleitungen und Fragen – alle Mühe, mitzukommen. In keiner Vorlesung meines Muggle-Studiums habe ich übrigens so viel zu Papier gebracht wie in dieser einen Basic-Klasse. Statt eines fetten Oberschenkelmuskelkaters gab es bei Dana diesmal in erster Linie leichte Schmerzen im Handgelenk.

Und auf einmal war es Magie.

Am Ende der Klasse war ich zwar nicht komplett durchgeschwitzt aber trotzdem ganz schön durch vom Mitdenken und -schreiben. Umso erfreuter war ich als das Wort „Savasana“ fiel. Endlich den Stift und den Körper ablegen und chillen. Aber gerade als ich mich zugedeckt hatte, fiel mir ein, dass die Klasse für die Lehrerin noch lange nicht zu Ende ist. Also habe ich mich wieder hingesetzt und immerhin an die Wand gelehnt, um anderen Leuten beim Chillen zuzugucken. Das klingt erstmal ziemlich langweilig, mich hat es aber überraschenderweise total geflasht! Jeder liebt die Abschlussendspannung, sie ist ja der eigentliche Höhepunkt der Yogastunde und mich bringt sie regelmäßig sogar zum Weinen. Aber noch krasser als das aktive (bzw. äußerst passive) Genießen dieser letzten Minuten einer Klasse ist es, Savasana zu beobachten: Der abgedunkelte, aufgeheizte Raum, die sphärische Musik und die entspannten Leiber überall. Dazwischen liegen die im Eifer des Gefechts verteilten Hilfsmittel und nahezu geräuschlos (Wie macht sie das?) tänzelt Dana von Matte zu Matte und verteilt die kleinen Nackenmassagen. Harry Potter hin oder her: Das ist wahre Magie. Ganz ohne Tricks und Zaubersprüche.

Ja, ich will.

Mein Fazit zur ersten richtig bewussten Unterrichtsbeobachtung: Mannomann, das ist ganz schön viel Arbeit. Die Lehrerin muss nicht nur die Klasse individuell planen und vorbereiten, sondern auch die ganze Zeit voll konzentriert sein und auf die einzelnen Schüler eingehen und alles (wirklich alles!) wissen. Als Zauberlehrling habe ich davor höchsten Respekt und es macht mir – ehrlich gesagt – auch ein bisschen Angst. Aber in erster Linie war diese erste Hospitanz auch eine riesige Bestätigung für meine Entscheidung, diesen Weg zu gehen und ein Yogalehrer zu werden. Ich will diesen Beruf lernen und es irgendwann auch schaffen, dass diese einzigartige Magie sich im Yogaraum ausbreitet. Will diese schönen Momente ermöglichen und den Schülern helfen, den Zauber aus ihrem Inneren herauszulassen. Das ist sicherlich keine kleine Herausforderung, aber ich freue mich schon auf das erste Mal, wenn es klappt. Namaste.

PS: Ich bin kein großer Fan davon, während einer Yogaklasse Fotos der Schüler zu machen und habe das auch bei der Hospitation so gehalten 🙂 Die Fotos im Beitrag zeigen Interieur von Peace Yoga Berlin – Jivamukti Yoga School.


8 responses to “Mein erstes Mal – als Yoga-Zauberlehrling”

  1. Ruediger Zachmann Avatar
    Ruediger Zachmann

    yogaDÜDE! from one yogadüde to another…thanks for this article…I just finished my YTT in Munich and felt the exact same way when I observed the class AND when I had to assist. It gave me such a completely different perspective and like you said, shows you just how (damn) much goes into teaching a class, properly…uh oh!
    again, thanks for this article…and keep going, you’ll do great

  2. Rebecca Randak Avatar

    Super Beitrag, Harry. Habe paar mal laut gelacht. Und dass dir bei Danas Magic der Finger abbricht vom Mitschreiben war zu erwarten. XXX se you soon

  3. […] Weihnachtsreisewelle bin ich diese Woche noch mal nach Berlin gefahren, um Menschen zu treffen und ganz viel Yoga zu praktizieren. Und auch wenn ich meine Wurzeln im Badischen habe, fühlt es sich auch ein bisschen nach […]

  4. […] üble Dezember-Wetter. Aber ein bisschen freue ich mich auch wieder auf meine Yogafamilie, seien es die KollegInnen aus dem Teacher Training oder (seit neuestem) die SchülerInnen im Studio. Denn die sind, was die Themen Kirche, Glaube oder […]

  5. […] Zeit vergeht viel zu schnell. Irgendwie habe ich doch gerade erst mit der Ausbildung begonnen und in vier Wochen ist der ganze Spaß schon wieder vorbei. Und ich bin offiziell Yogalehrer. So […]

  6. Claudia Möschl Avatar
    Claudia Möschl

    Ohhhhhh, danke für diesen super Beitrag!
    Bin auch gerade auf dem Weg meine ersten Yogastunden als „Zauberlehrling“ zu geben!!🙏
    Aber als ich deinen Beitrag gelesen habe, war ich mir auch wieder zu 100% sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben!!👍
    Vielen Dank und Namaste,
    Claudia 🧘‍♀️🙏👋☀️

  7. […] beim geschmeidigen Asanas üben und – irgendwann – auch im täglichen Leben. Besonders jetzt, zum Ende meiner Yogalehrerausbildung, habe ich das Gefühl, manchmal den Bodenkontakt zu verlieren. Wir arbeiten da sehr intensiv an uns […]

  8. […] Ich liebe Savasana und damit bin ich nicht alleine. Klar. Aber neben der Entspannung, die mir diese Minuten in Stille schenken, hat Savasana eine weitere wichtige Funktion in der Yogapraxis: Es ist ein Abschlussritual als fester Bestandteil der Klasse. Egal, was du vorher auf der Matte getrieben hast, am Schluss liegen alle nebeneinander und chillen noch ein wenig, bevor es wieder rausgeht in die „echte“ Welt. Ohne Savasana würde man vielleicht nach der letzten Übung nochmal kurz ein Ömchen anstimmen und dann gemütlich aus der Klasse schlendern. Savasana zwingt uns Schüler (und Lehrer) aber dazu, noch ein paar Momente inne zu halten, still zu liegen und das Geschehene zu würdigen. Eine gute Sache. […]