Das Yogawort zum Sonntag – Herbstdepression

Schön bunt.

Trari-trara, der Herbst ist da. War ja auch Zeit, oder? Nach gefühlten 12 Monaten Sommer, kann es ruhig auch mal abkühlen – wer braucht schon ein Leben in Shorts und Sandalen? Die kuscheligen Pullis wollen auch mal wieder getragen werden und es hat auch ein bisschen was von nordischer Hygge, wenn man sich abends (also ab 15:30, wenn es dunkel wird) mit einer Decke und einem guten Blogartikel auf die Couch kuschelt. Statt bis in die Nacht hinein mit Freunden am See zu chillen. Jaja, der Herbst ist super. Auch für die Natur. Überall kann man jetzt ja nachlesen, wie supertoll es für die Pflanzen ist, wenn jetzt der ganze Regen runterkommt. Allerdings bin ich mir unsicher, welche Pflanzen da genau gemeint sind – das Grünzeug, dass ich mir anschaue, verliert schneller seine Blätter als diese sich in malerisches Rot oder Gelb verfärben können. Und sind wir mal ehrlich: Das Laub ändert ja im Herbst nicht seine Farbe, weil es so hübsch aussieht. Nein: Die Bäume sterben jedes Jahr einen kleinen Tod und ziehen sich für die Wintermonate in eine Art Wachkoma zurück. Denk doch mal daran, wenn du das nächste Mal Lust auf einen romantischen Herbstspaziergang hast.

Schön weit weg.

Nach diesem endlosen Sommer, in dem ich mir auch endlos viel Zeit für meine Familie und mein Yoga genommen habe, ist bei mir jetzt mal wieder so richtig schön Maloche angesagt. Denn sind wir nochmal ganz ehrlich: Selbstverwirklichung als Yogalehrer macht nur so lange Spaß, wie die Miete bezahlt ist. Das ist der Grund, warum die meisten Yogalehrer noch einen „richtigen“ Job haben, mich natürlich eingeschlossen. Und in diesem Job („irgendwas mit Werbung“), bin ich die letzten Wochen ziemlich viel unterwegs. Rollkoffer-Action und so. Das macht zwar auch Spaß (ich mag diesen Job wirklich immer noch sehr), trennt mich aber auch von der Familie. Bäh. Ich war ja schon immer ein kleiner Heimsch…er und seit ich Kinder habe, gehe ich noch weniger gerne weg von zuhause. Dafür führen meine Business Trips mich meistens nach Berlin, wo ich viele Freunde treffen kann, für die ich sonst keine Zeit habe. Und unter normalen Umständen genieße ich auch die Tatsache, dass ich mal ein oder zwei Nächte ununterbrochen schlafen kann, ohne Windeln zu wechseln oder Kinderfüße aus meinem Gesicht zu entfernen.

Schön, dass ihr das seid.

Wie gesagt: Es hat auch was für sich, mal wegzufahren, tolle Arbeit zu machen und Freunde zu treffen. Aber in den letzten Wochen macht es mich auch ein bisschen fertig. Warum? Weil der Herbst (die Sau!), den ich ohnehin nicht so recht leiden mag, mich dieses Jahr ganz besonders hart trifft. Der Sommer 2018 war – bis auf die Fußball-WM – ein reines Sommermärchen, von April bis Oktober kam ich im Prinzip ohne Socken klar, habe wenig gearbeitet, bin dafür Yogalehrer geworden und hatte so viele gute Tage mit Frau und Kindern. Und im Lichte dieser wunderbaren Erinnerungen, wirkt das Dunkel des Herbstes noch finsterer als in den 40 Jahren davor. Selbst am romantisch verfärbten Laub kann ich da kein gutes Blatt lassen. Ich weiß, ich jammere da auf hohem Niveau: Mir geht es gut und ich habe von allem mehr als man braucht. In der Fremde habe ich Freunde, die auf mich aufpassen und meine Yogafamilie, die mir Halt gibt und dabei sogar hochoffiziell gegen Depressionen hilft. Was mich aber wirklich beunruhigt: Wie wäre es, wenn ich weniger Glück hätte mit allem? Wenn niemand für mich da wäre? Dann wäre ich froh über jeden, der mir vielleicht ein bisschen Extra-Liebe und Aufmerksamkeit schenkt: In der Bahn, bei der Arbeit und natürlich auch beim Yoga. Es muss doch möglich sein, aus diesem Wahnsinnssommer ein bisschen positive Energie mit in den Herbst zu nehmen und zu teilen. Und das bunte Laub weniger morbide zu sehen, sondern als das, was es ist. Nämlich wunderschön. Namaste.

 

Fotos: Liza Meinhof